Monday 19 May 2008

Stoppen um zu shoppen

Ich habe es gewagt wieder in einen Touristenbus zu steigen, nachdem bei einem Preisvergleich der Bus als billigen Gewinner herauskam. Die veranschlagten drei Stunden Fahrt von Hue, in der Mitte Vietnams, nach Hoi An klangen auch vernünftig und so buchte ich das Ticket, stieg Morgens in den Bus, indem ich sogar zwei Plätze für mich allein hatte. Der Bus fuhr zunächst durch ganz Hue, um alle möglichen Hotels abzuklappern und Passagiere einzusammeln. Nach einer Stunde war ich immernoch in Hue und sank schlafend in meinen Sitz. Dann machte sich der Bus endlich auf den Weg und verließ die Stadt. Eine Stunde später hilet der Bus und machte den ersten von drei Zwischenstops. Ihr könntet jetzt denken, dass der Busfahrer sehr verantwortungsbewusst ist und pausiert, um nicht übermüdet zu sein, aber ihr seit euch darüber bewusst, dass ich in Vietnam bin, weshalb ihr diesen Gedankengang auch schnell als absurd verwerft. Stoppen um zu shoppen erklärt mir dieses Sonderangebot und die letztendlich fünf Stunden andauernde Fahrt, um 130km zurück zu legen. Besonders war die Fahrt allerdings und ein Angebot auch, jedoch ein schweigsames, wenn gar trügerisches.
Hoi An ist schön, malerisch und völlig auf den Touristmus eingestellt. Trotzdem fühle ich mich hier wohl und empfinde es nicht mehr allzu schlimm. Habe diesen Umstand des Reisens jetzt akzeptiert und versuche das Beste daraus zu ziehen.
Es ist Vollmond, die Altstadt ist erleuchtet in zahlreichen Farben durch die unzähligen Papierlaternen. Die Straßen sind gefüllt mit Menschen, nicht nur Touristen, die sich durch die Gassen der alten Gebäude treiben ließen. Ich genoß es den Theatervorführungen beizuwohnen, der traditionellen Musik zu lauschen und einfach nur Menschen zu beobachten. Kindliche Spielereien von pubertierenden Jugendlichen, in Schach und Zigaretten vertiefte Herren und ein einsames Pärchen mit seinem Bootsführer ließen mich Geschichten in ihnen sehen. Die Geschichte des Pärchens war eher offensichtlich, aber nicht desto trotz sehr romantisch anzusehen. Er kniend vor ihr, sie tief in seine Augen blickend zuhörend und der folgende Kuss mit zarter inniger Zweisamkeit zwischen schwimmenden Papierlaternen wird wohl einer ihrer schönsten Erinnerungen sein. Kitschig schön.
Die schachspielenden Herren waren vielleicht Statuen die jeden Abend dort standen und sich schon seit Jahren selbst aufbauten, wahrscheinlich schon lange vor meiner Geburt ihr Ritual wiederholten. Kein Wort wurde gewechselt, alles wurde in den Jahren gesagt, die schiere Vielfalt möglicher Schachpartien lässt die Statuen noch ein weiteres Jahrtausend weiterspielen, jeden Abend von neuem ein Teil ihrer Weltschachgeschichte schreiben.
Mmh, es ist schön mit neuem Antrieb zu Reisen und auch wieder besser mich mit den Menschen zu verbinden. Ich habe ein neues Projekt, das ich verfolge. Um den belanglosen Gesprächen zu entkommen, frage ich Menschen zur Zeit was Freiheit für sie bedeutet. Es geht mir weniger, um einen philosophisch, politischen Diskurs, vielmehr um das persönliche Empfinden jedes Einzelnen. Mein Ziel ist es diese Gespräche zu einer Photoserie zu verarbeiten, nicht die Menschen zu photographieren, sondern zu versuchen ihre Gefühle, Auffassungen durch eine Photographie darzustellen. Es ist ein bisschen passiv hier zu schreiben und vereinzelt Kommentare zu lesen (kein Vorwurf, ich würde auch nicht ständig in meinem Blog kommentieren ;-) ), also jetzt mal ne ganz aktive Bitte, schreibt mir, diskutiert mit mir und mit euch, was Freiheit für euch bedeutet. Kann ja alles ganz anonym sein, muss sich also keiner schämen.

5 comments:

Anonymous said...

Moin kien!

Lang ist es her das wir uns in Indien getroffen haben. Ich finde dein Vorhaben eine echt gute Idee und will auch gerne dazu etwas beitragen. Ich hoffe deine Reise verläuft gut und du hast ne coole Zeit.
Ich will gerne damit anfangen zu beschreiben was für mich Unfreiheit bedeutet, denn diese Situation ist mir zur Zeit näher als mir lieb ist und meine persönliche Freiheit allzu fern. Unfreiheit bedeutet für mich in meinem Zimmer zu sitzen. Tag aus Tag ein der gleiche Trott. Morgens aufstehen, zur Uni gehen, abends wieder kommen, essen, schlafen, womöglich noch die Zusammenfassung für nächsten Tag vorbereiten. Mein Leben zieht an mir vorüber und dabei habe ich noch so viele Pläne die ich verfolgen und realisieren will, welche ich aber aus eigener Trägheit nicht mehr in die Tat umsetze. Das Leben holt mich nach der Rückkehr von einer Reise immer so schnell wieder ein. Ich verliere den neu gewonnenen Elan schon nach zwei Wochen und vegetiere vor mich hin, lerne für die nächste Klausur liege auf der Couch, versinke in Selbstmitleid. Oft denke ich dann 'sieh dir doch nochmal die Fotos von deinen Reisen an!' eine sehr schlechte Idee denn das macht mich nur noch deprimierter. Man könnte jetzt sagen ich hätte mich frei dazu entschieden zu studieren und sei jetzt selber Schuld. Mag wohl so sein, aber meine Sicht der Dinge ist so das ich gezwungen bin zu studieren um mir meine Freiheit zu ermöglichen. Dazu fällt mir immer der Spruch ein 'lebe nicht um zu arbeiten, arbeite um zu leben'. Auch wenn es abgedroschen klingt eine sehr wahre Weisheit. Freiheit bedeutet für mich reisen. Diese Freiheit finde ich bis jetzt nur in der Möglichkeit mich ständig zu verändern, neue Dinge, Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Das Gefühl nur sich selbst verpflichtet zu sein, nur zu tun was mir gefällt. Dabei geht es nicht darum möglichst viel herum zu kommen um Menschen sagen zu können ich war da und da. Auch ist es nicht so das ich jeden Tag etwas neues haben muss. In Afrika konnte ich ohne weiteres 6 Wochen in einem Waisenhaus arbeiten und hatte immer noch nicht genug davon, obwohl es außer Essen und einem Schlafplatz keine Bezahlung gab. Die Erfahrungen die ich auf meinen Reisen mache und das Lebensgefühl das ich dabei habe sind für mich die beste Belohnung. Solange ich reise bin ich losgelöst von der Verpflichtung mich um meine Zukunft zu sorgen. Würde es anders gehen würde ich nie wieder etwas anderes machen wollen als reisen. Doch ich bin ein gefangener meiner Erziehung und kann mich nicht dagegen wehren zu denken ich sollte etwas für meine Zukunft tun. Sich darum keine Gedanken zu machen, dass wäre wirkliche Freiheit für mich.

Alles sehr durcheinander jetzt aber ich hoffe man kann es nachvollziehen. Ansonsten werde ich gerne noch Ergänzungen schreiben.
Na dann viele Grüße... Till

Anonymous said...

naja...

das einzige was jemanden daran hindern kann, sich keine gedanken über die zukunft zu machen, ist sich gedanken über die zukunft zu machen. wenn man sich aber gedanken über die zukunft macht, dann macht das nur sinn, wenn man eine vorstellung von der eigenen zukunft hat. wenn man aber eine frei gewählte vorstellung von der eigenen zukunft hat, dann hat man kein problem damit, annehmlichkeiten in der gegenwart zu opfern - man empfindet es auch nicht als opfern. es ist also nicht die freiheit, sich keine gedanken um die zukunft zu machen, sondern die freiheit, sich selbst ein zukunftsziel zu setzen, die zu einer freien gegenwartsempfindung führen kann. wenn also in einem völlig abstrakten beispiel jemand auf die idee käme, die wahre erfüllung im reisen zu finden, dann kann sich derjenige einfach eine henkersfrist setzen: mit 60 ist sense oder - wenn ich kein geld für medizinische versorgung habe, dann kratze ich halt ab, dafür habe ich mein leben so gelebt, wie ich es mir gewählt habe. wer diesem motto nicht folgen kann, für den ist reisen eben nicht das wichtigste - und das man nicht alles haben kann, nun, darin besteht ja gerade die grundlage der freiheit: ohne wahl keine freiheit.
und ganz abgesehen davon: wie soll freiheit darin liegen können, den raum handlungsmotivierender gründe einzuschränken (sprich, die gründe einer blühenden zukunft zu negieren). es kann foglich nicht gemeint sein, dass wir tatsächlich die zukunft als grund für freie entscheidungen nicht mehr haben wollen, sonder lediglich, dass die gründe nicht soviel gewicht haben sollten, wie sie im beispiel hatten; aber die wertung und damit gewichtung von gründen, dass ist doch nun wirklich jedermanns eigene sache, solange man sich im rahmen des legalen bewegt. fazit: die freiheit kann nicht in der abschaffung der gedanken über die zukunft liegen, sondern höchstens in der freiheit sein eigenes zukunftsbild selbst zu schaffen und sich dabei nicht von sozialisierung oder äußerem druck erpressen zu lassen. kleiner, aber wesentlicher unterschied, gerade, was die überwindung eines solchen zustandes angeht.

yours sincerely, ego

bizillianer said...

Wow, ich freue mich sehr, dass die ersten Gedanken den Weg hierher gefunden haben. Danke.

Ich verbinde das Gefühl der Freiheit auch mit dem Reisen, jedoch stimme ich deinen Beweggründen nicht zu.
Ich entnehme deinem Beitrag, dass du dein Leben in der Gegenwart, wenn du nicht auf Reisen bist, nicht bewusst wahrnimmst. Dein Gefühl der Lethargie, des an dir vorbeiziehenden Lebens, der Trott fühlen sich nicht SelbstBestimmend an. Ich bin mir nicht sicher, ob dein Freiheitsgefühl des Reisens darauf beruht, dass du dich selbst veränderst, da du sehr schnell wieder in deine Lethargie verfällst, sobald du wieder zurück bist. Für mich bedeutet Reisen, vor allem die Reise zu mir selbst und diese innerlichen Veränderungen sind weitesgehend losgelöst von ihren äußerlichen Einflüssen.
Du scheinst sehr vergangenheits- und zukunftsorientiert zu leben, schaust dir Photos an, um dich zu deprimieren und suchst in der Zukunft einer nächsten Reise die fehlende Zufriedenheit. Ich würde mich auch sehr depressiv fühlen, wenn ich so negativ vergleichend auf mich und meine Umwelt blicken würde. Würdest du sofort wieder losreisen, wenn du keine Verantwortung spüren würdest? Ich denke, dass es zu einfach wäre, auf die Flucht des Reisens zu gehen. Reisen erleichtert mir vieles, ein losgelösten Blick zu haben, aber befreit mich selbst nicht von meinen Verantwortungen. Es hilft mir zu reflektieren und meine Sicht auf Zwänge, die dann keine mehr sind, zu ändern. Mmmh, ich hoffe, dass meine Antwort nicht zu harsch und direkt war.

Ach, noch was vergessen ... studierst du wirklich um Freiheit zu erlangen? Angenommen, das Reisen bringt dir totale Glückseligkeit, dann könntest du ein halbes Jahr in einem westlichen Land z.B. als Bauarbeiter arbeiten und dies würde es dir ermöglichen mindestens für ein Jahr zu reisen. Es steckt zuviel zwischen Studium - Freiheit und erklärt sich so für mich nicht.

Unknown said...

Reisende sind die unglücklichsten Wesen auf Erden.

Freiheit ist das größte Unglück, das einem menschlichen Wesen passieren kann. Bevor der Reisende es bemerkt, hat er seine Heimat verloren. Er wird dann nicht einmal mehr wissen, was dieser Begriff bedeuten könnte.

Doch mit der Freiheit ist es wie mit den Illusionen. Wenn alle Illusionen Illusionen geworden sind, dann gibt es weder Glück noch Unglück....

Ich hoffe, Du suchst Dir nicht den steinigsten Weg aus, um voranzu schreiten.

Kevin said...

Freiheit ist immer die Freiheit, wenn man sie anders denkt.

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