Friday 25 January 2008

Kommunismus in Indien

Es ist jetzt 22:30 indische Zeit, ich sitze in Munnar, einer Bergstation im Landesinnern von Kerala, und bin von winterlich gekleideten Indern umgeben. Auf 1600m ist die Nacht extrem kühl und das grelle Neonlicht in dem Spätimbiss mit seinen Plastikstühlen, in dem ich gerade mein Abendmahl zu mir nehme, verstärkt mein Kältegefühl. Es herrschen Vielleicht Temperaturen um die 5 °C, die sich extrem kalt anfühlen, weil der Kontrast zu 35 °C in Irinjalakuda zu groß ist. Aber das ganze ist sehr schön, weil ich weg von den großen Städten bin und in luftiger Höhe ist die Luft angenehm klar und kühl.
In Munnar wird seit dem 19. Jahrhundert Tee angebaut, der die Landschaft hier stark prägt. Die Berge sind durchzogen mit saftig grünen Teeplantagen, die fast alle dem indischen Industriemagnaten „Tata“ gehören. Ich bin heute 15 km durch dessen Teeplantagen und über deren Berge gewandert, was nicht ganz einfach war, da mich einige Vorsteher von den Plantagen vertreiben wollten, da diese Privatbesitz sind. Die Wanderung war unglaublich schön, weil die Landschaft absolut malerisch nd die Menschen super freundlich auf mich zugekommen sind. Kurz bevor ich den Wasserfall erreichte, aß ich in einer Hüte für Teepflucker und unterhielt mich mit einem tamilischen Taxifahrer. Er erzählte mir, dass in dieser Region 26000 Teepflücker beschäftigt seien, die allesamt aus Tamil Nadu, dem Nachbarbundesland stammen. Auf meine Frage hin, warum es fast nur Tamilen seinen, antwortet er, dass Arbeiter aus Tamil Nadu kommen und die Besitzer, sowie höher Beschäftigte aus Kerala. Ich hatte schon vorher den Eindruck gewonnen, dass Kerala das reichste Bundesland Indiens ist, da überwiegend große und schöne Häuser das Straßenbild Keralas prägen.
Kerala ist ein sehr vielseitiges Paradies, das mich einerseits sehr schöne und auch einsame Strände, andererseits grüne und majestätische Berglandschaften erleben lässt. Es ist das einzige kommunistische Bundesland Indiens, dass sich mit einem hohen Bildungsniveau schmückt. Die Alphabetisierungsquote soll im Bezirk Kottayam sogar die 100% erreichen, was die Quoten westlicher Staaten sprengt. Es stimmt mit meinen Erfahrungen überein, da ich eigentlich noch an keinem Ort war, an dem ich nicht an einer Schule vorbei lief.
Die Menschen lachen hier mehr und sind noch aufgeschlossener und interessierter. Ich treffe auf viele Englisch sprechende Keraler, deren Wortschatz zwar begrenzt, aber dennoch für kurze und oberflächliche Konversationen ausreicht.
Es ist auch ziemlich witzig Plakate der CPI (Communist Party India) zu sehen, auf denen Gandhi, Nehru, Indira Gandhi, aber auch Lenin und Che Guevara abgebildet sind.In den Gesprächen fragen sie mich nach meiner Herkunft, und wenn ich Vietnam erwähne, strahlen sie noch mehr und sprechen von Ho Chi Minh, dem noch heute verehrten Freiheitskämpfer Vietnams. Mir ist noch nicht ganz klar, wie das politische System hier funktioniert, aber sie scheinen die Hürden eines Dritteweltlandes zumindest in diesem Bundesland gut zu meistern.

Thursday 24 January 2008

An einen Ort zurueckkehren

Ich bin wieder an einen Ort zurückgekehrt, an dem ich vor einer Woche war. Es ist faszinierend wie gut ich mich hier schon orientieren kann, obwohl ich nur 3 Tage in und um Irinjalakuda verbracht hatte. Es füht sich auch sehr gut an, weil mich die Menschen wiedererkennen und gleich doppelt so freundlich sind, als ein Level erreichen, das eigentlich schon beängstigend ist.
Ich bin mit Rena per Anhalter hierher gekommen und wir mussten das letzte Stückchen eigentlich noch laufen, aber mein freundlicher Rikschafahrer, von dem ich das Motorrad vor einer Woche geliehen hatte, kam zufällig vorbei und fuhr uns kostenlos zum Hotel.
Ich habe keine Angst vor der Zukunft, weil alles sich ineinander fügt und sich so leicht gestalten lässt. Die Wahrscheinlichkeit, dass so viele glückliche Zufälle geschehen spricht gegen mich, aber wenn wir etwas wirklich wollen, „verschwört sich das ganze Universum“ (Coelho) und hilft uns es zu erreichen.
An einen Ort zurück zu kehren bedeutet auch ihn viel aufmerksamer zu betrachten und noch mehr kleine Details zu entdecken. Es war mir diesmal auch möglich einer Probe des Mohiniyattam, einer Art Gebetstanz für Frauen, beizuwohnen. Bei der Probe tanzten Mädchen und Frauen in einer Gruppe einen erstaunlich weichen und dennoch präzisen Tanz, bei dem sie eine faszinierende Körperkontrolle, sowohl der Mimik, als auch der Gestik hatten. Mir kam sofort der Gedanke, dass Frauen in Indien vieles gewissenhafter un mit großer Aufopferung betreiben als indische Männer. Die Mädchen auf der Bühne trainieren seit ihrem 4. Lebensjahr und tanzten für das ungeschulte Auge in perfekt in ihren Bewegungen. Unter den Tanzenden war auch eine Mexikanerin, die diesen Tanz seit einigen Jahren praktizierte, jedoch neben den Inderinnen viel schwerfälliger und härter wirkte. Hätte ich sie allein tanzen gesehen, wäre ich sicherlich positiv beeindruckt gewesen, aber im direkten Vergleich mit den Inderinnen, deren Bewegungen natürlich elegant wirken, hat sie noch einen langen Weg vor sich.
Der Vergleich zu den indischen Männern manifestierte sich so stark, weil ich die Kampfkunstvorfühung in Kochi eher mittelmäßig empfand und wesentlich mehr erwartet hatte. Im Gesamtbild Indien zeichnet es sich stark ab, dass Frauen sich von klein an aufopfern und Männer eher verhätschelt werden, was die Gewissenhaftigkeit stark unterentwickelt lässt.
Ich reise wieder allein und bin zum 3. Mal nach Irinjalakuda zurückgekehrt und sitze in einer Bar/Restaurant, in dem ich vor kurzem mit Rena in einem Einzelraum gesessen hatte. Neben dem Barraum, bieten sie hier sehr heruntergekommene Privatzimmer an, damit sich Mann sich auch ganz anonym betrinken kann. Mann muss hier sehr wörtlich genommen werden, da Frauen nicht trinken bzw. nicht trinken dürfen. Es wird Alkohol ausgeschenkt, die Beleuchtung ist düster, und ein lautes Stimmenwirrwar umgibt mich, was ganz ungewöhnlich für Indien ist. Zwar ist es hier ständig laut und ich bin immer von Menschen umgeben, jedoch sprechen sie wenig miteinander. Mir ist es letztens wie Schuppen von den Augen gefallen, als ich im supervollen Bus nach Kochi saß, dass mich ein riesiger Geräuschschwall aus Motorengeräuschen, Hppen, Schreien und Klingeln umgab, aber dass kein einziger Mensch im Bus sprach. Vielleicht liegt es teilweise daran, dass Frauen im Bus vorn sitzen und Männer hinten sitzen müssen. Solch eine physische Trennung, die sich auch in den Köpfen fortsetzt bzw. die mentale in die physische, fördert sicherlich nicht die Kommunikation und das Verständnis zwischen den Menschen.

Wednesday 23 January 2008

Selbstlosigkeit

Mich fasziniert es immer wieder wie gastfreundlich und selbstlos indische Menschen sind. Ich aß mit Rena spät Abends an einer Straßenküche in Kochi, die ein 24 jähriger mit 2 Freunden betrieb. Es kam eine sehr schöne Konversation mit ihm zu stande, obwohl er nur begrenzt Englisch sprach. Sein Vokabular bestand vielleicht aus 40 Wörtern, jedoch war seine Körpersprache ausdrucksstark und vermochte die fehlenden Vokabeln zu ersetzen. Er vermittelte mir wieder eine neue Seite Indiens durch einen kleinen Einblick in sein Leben und seine Welt. Er ist der Besitzer dieser kleinen Straßenküche und fängt Morgens um 7 Uhr an und geht erst 00:30 Nachts nach Hause, um dort für 2 Stunden zu schlafen. Am Tage macht er noch zwischendurch 2 Stunden Pause, aber rackert er sich so 7 Tage die Woche ab. Er ist zum 2. Mal verheiratet und diesmal viel glücklicher, weil er seine erste Frau nicht anziehend fand. Beide Male haben seine Eltern sich auf Suche für ihn begeben und ihn verheiratet. Ich habe versucht herauszufinden, was er in seiner sehr kurzen Freizeit macht, aber anscheinend verbringt er diese nur zu Hause bei seiner Frau, die nicht arbeitet und eigentlich nur mit ihm aus dem Haus geht beziehungsweise raus gehen darf.
Nachdem wir unseren letzten Chai des Tages getrunken hatten, schlug er uns vor am nächsten Morgen uns einen naheliegenden Strand zu zeigen. Wir aßen also unser Mittagessen bei ihm und fuhren mit der Rikscha und dem Bus zum Cheraistrand (hab ich erst im Nachhinein herausgefunden), nördlich von Kochi. Er bestand darauf beide Male zu bezahlen und versuchte uns vor einigen Indern zu warnen, wiederholte hierbei die Warnungen bestimmt 6 Mal, damit wir es auch ja nicht vergessen. Er saß mit uns am Strand, halb mir beim Früchtekauf, weil es für ihn wesentlich billiger war, handelte sich hierbei noch böse Blicke und Kommentare ein, weil er mir half, und das wirklich Unfassbare ist die das absolut selbstlose seines Handelns. Ich versuchte ihm ein bisschen Geld für alle seine Ausgaben und noch ein klein wenig mehr für die Rückfahrt zu geben, aber er lehnte dies strikt ab. Wahrscheinlich empfindet er es sogar als ziemlich unangenehm, dass ich ihm Geld geben wollte.
Es erfüllt mein Herz immer noch mit warmer Freude, wenn ich daran denke, weil er nicht nur finanziell alles getragen hatte, sondern auch seine Zeit, die sehr begrenzt ist, für uns geopfert hatte. Aus seinen zwei Stunden Pause wurden locker vier Stunden mit uns, weil den Tag früher, schon um 5 Uhr, begann, damit er mehr Zeit zur Verfügung hatte.Ich bin überwältigt von dieser Hilfsbereitschaft, weil es in meiner Erfahrungswelt nur sehr wenige solche Momente gab. Aber seit ich in Indien bin, ist es mehr zur Regel geworden. Wann hat irgendeiner von uns schon mal seinen ganzen Tag nach einem wildfremden Menschen ausgerichtet, ohne jegliche Erwartungen (finanziell, beziehungtechnisch, sexuell) zu stellen? Ich bin ihm sehr dankbar und hoffe, dass ich in Zukunft auch so handeln kann wie er. Stellt euch vor wieviel mehr Freude und Liebe in unserer Welt wäre, wenn jeder von uns so handeln würde. Wir müssen nicht mal religiös oder spirituell sein, sondern die Situation nur rational betrachten und mir erscheint es ziemlich logisch so zu handeln.

Monday 21 January 2008

Zurueck in die Hochburg

Nach meinen Ausflügen in das nicht touristische Indien bin ich jetzt wieder in einer Touristenhochburg gelandet. Kochi, früher auch Cochin genannt, ist eine sehr schöne Küstenstadt auf einer Insel, die schon die Portugiesen, Holländer und später auch die Briten zu schätzen wussten. Die Einflüsse dieser Kolonialstaaten sind heute noch in der Architektur zu sehen und im Flair der Stadt zu spüren. Es ist schon ein bisschen seltsam durch Straßen mit Fachwerkhäusern zu laufen und sehr europäische Café zu sehen. Fast alle prunkvollen Häuser der Kaufleute von damals sind heute Luxushotels und die Straßen herum sind gepflastert mit Geschäften, die vollständig auf den Touristen ausgelegt sind.
Ich hatte schon fast verdrängt wie aggressiv die Verkaufsmethoden sind, aber nachdem ich auf 200m von 8 Geschäftsbesitzern scheinheilig freundlich in das Geschäft gebeten wurde („just looking“), war es mir wieder sofort präsent.
Kochi ist sehr bekannt für seine chinesischen Fischernetze, riesige Konstruktionen von herablassbaren Netzen, die chinesische Seeleute nach Kochi brachten. Es ist auch das am meisten erscheinende Motiv in Photographien von Kerala. Neben dieser Attraktion wird in Kochi keralisches Theater und keralischer Kampfsport zelebriert.
Natürlich wollte ich mir die Netze auch anschauen und wurde prompt auf die Konstruktion eingeladen. Fand ich sehr nett von den Fischern, die mich auch am Seil ziehen ließen, aber nichts ist hier umsonst und das Aufhalten der Hand war keine Überraschung mehr.
Ich habe mir mit Rena jeweils eine Vorstellung des Kalarippayat, einer 3000 Jahre alten Kampfkunst, und Kathakali, eine Form keralischen Theaters, angeschaut. Die Vorstellungen waren extrem überteuert und nicht ganz ungefährlich. Wir saßen bei der Kampfkunstvorstellung in der 2. Reihe, als sie eine Drahtpeitsche demonstrierten, die sich während der Show in Teile auflöste. Der Frau neben uns konnte ich die Todesangst aus dem Gesicht lesen und sogar als die Show vorbei war, sah ich ihr den Schock noch an. Die Situation war urkomisch und ich konnte mir das Lachen nicht verkneifen.
Die Kathakalishow war sehr interessant, da sie zuerst das Makeup der Schauspieler zeigten und dann eine Einführung in die Zeichensprache dieser Theaterform gaben. Das Theater basiert auf extrem übertriebener Mimik und Gestik, stark Kostümierten Schauspielern, sowie traditioneller indischer Musik.
Neben dem Konsum dieser vorgefertigten Häppchen, die einem jeder Reiseführer serviert, sind wir ca. 10 km durch die verschiedenen Viertel gelaufen. Innerhalb von 200m können Welten liegen. Auf der einen Seite liegt das authentische Leben Indiens, auf der anderen die schnörkellose und glatte Oberfläche des touristischen Konsums.

Monday 14 January 2008

Hindu Identitaet

Ich bin ein jetzt ein Hindu oder habe es zumindest versucht äußerlich zu werden. Ich bin gerade in dem Dorf Irinjalakula, in dem der Koodal Manikyan Tempel steht, der einzigartig in Indien sein soll, jedoch nur von Hindus betreten werden darf. Weil der Kiên aber auch den Tempel bestaunen wollte, hat er sich nen Dothi, eine Art von Wickelrock für Männer, gekauft, und ist als Hindu (hab sogar versucht auch mental Hindu zu sein) durch den Eingang spaziert. Der super freundliche Pförtner hat mich aber sofort durchschaut und nach meinem Hinduzertifikat gefragt, das ich in Calicut bekommen würde. Vielleicht hätte ich es ein bisschen besser planen sollen, als ich in Calicut war. Irgendwie finde ich es ein bisschen seltsam, dass sie ein Papier brauchen, um ihr Dasein als Hindus zu belegen. Wer mag, dem stelle ich gern ein Zertifikat für Atheisten oder Spirituelle aus.Der darauf folgende Besuch eines Zentrums für keralischen Tanz und Kampfkunst war auch nicht von Erfolg gekrönt, da ich gerade ein 10 tägiges Festival verpasst hatte und alle wegen Überanstrengung eine Woche pausierten.Mmh, kein Tempel und keine Kultur, also beschloss ich mir ein Motorrad zu mieten und durch die Landschaft und Dörfer zu fahren. In dem Dorf gibt es keinen offiziellen Verleih, aber der Rikschafahrer „Arun“, der vor meinem Hotel parkte, wollte mir eins besorgen. Ich stieg also in seine Rikscha und fuhr mit ihm zum Nachbardorf, wo er mit seiner Familie wohnte. Zwischendurch hielten wir an allen möglichen Häusern, in denen er mich vorstellte: „Kiên, aus Vietnam, mein neuer Freund“. Aha! Ich bin wieder einen Freund reicher ;-). Wir plauderten ein bisschen und er wollte, dass ich ihm einen Job in Vietnam besorge. Ich versuchte ihm zu verklickern, dass er zuerst Vietnamesisch lernen müsse und nicht allzu unterschiedliche Bedingungen in Vietnam vorfinden würde. Naja, er besteht trotzdem darauf und wollte mich als persönlichen Lehrer anstellen.Bei ihm zu Hause luden sie mich zum Mittag ein, was ich dankend ablehnte, da ich gerade zuvor Mittag gegessen hatte. Ich bekam mein Motorrad, nachdem ich ihm auch noch für die Rikschatour entlohnen musste, und düste erstmal durch das Dorf.Nach einem Blick auf meine Karte, entschied ich mich um 30 km entfernten Strand zu fahren, um dort den Sonnenuntergang zu genießen. Ich finde es unglaublich schön allein mit dem Motorrad durch das Land zu fahren und Wind und Sonne auf meiner Haut zu spüren.Am Strrand schaute ich ein paar Kindern beim Cricket spielen zu und legte mich in den San, um auf den Sonnenuntergang zu warten. Während ich wartete hörte ich das Motorgeräusch eines vorbeifahrenden Mortorrades. Ich war nicht sicher, ob ich mit meinem Motorrad auf dem Strand fahren sollte, konnte aber nicht widerstehen und stieg auf. Ihr müsst euch einen 3 km langen Sandstrand, flankiert von grünen Palmen und keiner Menschenseel vorstellen. Das Meer tauchte sich in ein sanftes Rot und ich fuhr gemütlich mit dem Motorrad den Strand entlang. Neben mir rauschten die Wellen und sickerten kurz vor dem Motorrad in den Boden. Es war so ein euphorisierndes Erlebnis, dass ich einfach ins Meer hinaus schreien musste.

Friday 11 January 2008

Welt- und Menschgeschichte vermischt

Ich wandle gerade auf den Pfaden der Weltgeschichte zu denen ich ein größeres Wissen, das heisst nicht total ahnungslos bin, habe. Mein Weg führt mich zum Kappadstrand, der 16 km von Calicut (Kohzikode) liegt und 1498 Geschichte schrieb, als Vasco da Gamma hier landete und den Seewgeg nach Indien entdeckte. Heute erinnert hier nur noch ein Miniobelisk mit einer Inschrift and die Landung Vascos.Das ganze ist interessant, spielt aber vielmehr eine persönlichere Rolle für mich, da ich zu meiner Jugendweihe (Wow, das fühlt sich wie ein anderes Leben an) eine Erzählung über die Suche nach dem Seeweg nach Indien von „Waldi“ und „Uschi“, menem deutschen Onkel und meiner deutschen Tante, geschenk bekam. Ich weiß nicht, ob sie es schon damals wussten, das ich tatsächlich diesen Ort mit meinen eigenen Füßen begehen und meinen eigenen Augen sehen würde, aber ich schätze es jetzt noch viel mehr, da wieder eine Brücke zur Vergangenheit geschlagen wurde. Vielen Dank nochmals, falls ihr das hier lest!Der Strand ist paradiesisch, liegt aber nicht auf den Touristenrouten und ist kein Ziel, dass in den Reiseführern aufgelistet wird, und so konnte ich einen wunderbaren, ruhigen Tag am Meer mit schwimmen und lesen verleben. Nach den letzten vollgepackten zwei Wochen war es sehr erholsam mich einfach baumeln zu lassen.

Thursday 10 January 2008

Der indische Pate

Ich sitze in einer kleinen Teehütte den „Valiyaparamba Backwaters“ und genieße den lauen Wind im Schatten. Auf meiner Fahrt nach Süden bin ich zum ersten Mal Zielen gefolgt, die nicht in meinem Reiseführer standen., da ich zur Zeit einen lokalen Reiseführer benutze, den mir Roopa gegeben hat. Auf diesem Wege bin ich schon seit zwei Tagen keinem westlichen Touristen mehr begegnet, habe aber Schwierigkeiten eine Unterkunft zu finden, weil alle günstigen Hotels mich nach der Nationalität fragen und mich wegschicken, weil sie anscheinend nur Indern Unterkunft bieten wollen. Nachdem ich gestern Abend 4 Hotels erfolglos probiert hatte, gab ich im 5. vor, dass ich aus Sikkim, dem Nordosten Indiens stamme, dessen Menschen sehr asiatisch aussehen, und wurde prompt mit einem Zimmer belohnt. Meine neue sikkimsche Identität funktioniert auch beim Eintritt in Sehenswürdigkeiten, die ein Vielfaches an Geld von nicht indischen Touristen verlangen.
Ich bin dazu übergegangen alle Kurzstrecken mir zu erlaufen oder per Anhalter mitnehmen zu lassen. Ich sehe hierbei so viele neue und unterschiedliche Seiten Indiens, weil ich durch Slums laufe und nur ein paar Meter weiter an sehr westlich anmutenden Villen vorbeiziehe.
Kerala, der südwestliche Bundesstaat Indiens, ist der landschaftlich schönste Teil Indiens, den ich bisher gesehen habe. Satt grüne Palmenwälder werden durchzogen von Kanälen und Flüssen, die in das Arabische Meer münden.
Ich wurde gerade von Bootsmenschen umzingelt, die mir Kerala näher bringen wollten, als sie meine Karte von Kerala sahen. Auf meiner Karte sind jetzt alle möglichen Sehenswürdigkeiten und Orte markiert, die ich laut meinen neuen „Freunden“ unbedingt sehen muss.Es findet sich sogar eine Telefonnummer darauf, die ich anrufen soll, falls ich in der Nähe von „Punnamada“ sein sollte und dort eine Unterkunft benötige. Es ist unglaublich wieviel bereichernder meine Reise wird, sobald ich die abtrampelten Pfade verlasse. Die Bootsmenschen haben mich auf ein lokales Boot gesteckt, dass mich durch die Backwaters fährt. Eigentlich ist es ein Wassertaxi für die einheimische Bevölkerung, aber es lässt sich auch als Führungsboot benutzen. Ich fuhr die Flußarme an Palmenwäldern und vereinzelten Häusern entlang, passierte Fischerboote, deren Fischer im Wasser standen, um die Netze zu kontrollieren, und bemerkte, dass ein großteil der Bevölkerung hier islamisch geprägt ist. Auf der Rückfahrt verfolgte ich gespannt den Sonnenuntergang vom Boot aus, wie er die Fischernetze und die Palmen in ein leichtes Rot tauchte und sich im Wasser spiegelte.
Zurück in der Kleinstadt entschied ich mich den Zug nach „Calicut“, einer der größten Städte Keralas, zu nehmen, weil es dort vermutlich bessere Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Ich lief also zu dem kleinen Bahnhof, der absolut verlassen aussah, und fand zum Glück einen geöffneten Ticketschalter. Der Mann gab mir ein Ticket für die ersten beiden Wagons, die für unreservierte Tickets frei gehalten werden, und machte mich noch daurauf aufmerksam, dass bald ein geplanter Stromausfall folge. Es ist hier ganz normal, dass der Strom für eine Stunde pro Tag abgeschaltet wird, da die Kraftwerke den Bedarf an Strom nicht konstant decken können. Eigentlich könnten wir dies auch in Europa anwenden, sozusagen als passiven ökologischen Beitrag für alle. Ich habe gerade diesen Gedanken weitergesponnen und mit mir selbst über die Machbarkeit diskutiert, aber bin leider bei einer Grundsatzdiskussion gelandet.
Ich saß also im stockdunklen Bahnhof, sah ein paar Lagerfeuer in der Ferne und verfolgte ein Licht auf mich zukommen. Es war eine Gruppe von 6 Männern, die über die Schienen stiegen und mich quasi umzingelten. Ich hatte ein recht mulmiges Gefühl, weil die tiefschwarze Nacht und der verlassene Bahnhof mein Gefühl des Misstrauens gegenüber der Gruppe noch verstärkten. Der eine fing an zu reden: „May I introduce myself ...“ (Dürfte ich mich vorstellen ...) und ich kam mir vor wie in den Mafiafilmen (Sorry Salvo ;-), es bleibt wohl für immer an Sizilien haften!), in denen sich der Pate vorstellt, was nichts Gutes zu bedeuten hatte. Letztendlich musste ich nur mit dem Paten reden, um mein Leben zu retten. Sie waren alle Handwerker aus der Stadt und wussten, dass ein Tourist in der Stadt war und kamen aus Neugier, sowie dem Ehrgeiz ihr Englisch zu verbessern. Ich finde es ein bisschen beängstigend, dass die ganze Stadt wusste, dass ich da bin und vor allem, wo ich bin.
Der „Pate“ war Rikschafahrer bei Tage und sprach ein erstaunlich gutes Englisch, obwohl er nie Englischunterricht hatte, weil er die Schule nur bis zur 4. Klasse besuchte. Er hatte aber ein großes Interesse für Sprachen und nutzte jede Gelegenheit, um sich zu verbessern, besonders wenn sich mal ein Tourist in die Kleinstadt verirrte. Für mich ist es sehr bewundernswert und auch ein wenig traurig, weil ich mich frage, was wäre, wenn er die Freiheit unserer Möglichkeiten gehabt hätte.
Ich ließ ein paar meiner Gedanken beim „Paten“, verabschiedete mich und stieg in den vollsten Zug meines Lebens. Unreserviert Reisen heißt Stehgarantie mit gratis Massenkuscheln. Es machte mir nichts aus in den Wagon mit Holzbänken zu steigen, weil ich eh die ganze Zeit stehen musste. Ich habe keine Platzangst, keine Berührungsängste und überrage die meisten Inder um einen Kopf, was lebensnotwendige Voraussetzungen sind, um in den ersten beiden Wagons in Indien zu reisen und zu überleben. Es war sehr warm, die Luft war stickig und ein Geruchscocktail aus Schweiß, Urin und Scheiße verstärkte den Stress auf die Passagiere, so dass es zu einer kleinen Rangelei kam, die zum Glück nicht in einer Massenschlägerei endete.
Ziemlich übermüdet und leicht gestresst kam ich in „Calicut“ an und begab mich um 23 Uhr auf Hotelsuche. Was ich nicht wusste, war die Tatsache, dass eine große Hochzeit in der Stadt stattfand und keine Zimmer mehr zu finden sein würden. Ich lief durch die ganze Innenstadt und fragte mich in 10 Hotels durch, bevor ich zum Bahnhof zurückging und mich auf den Boden im Warteraum neben die anderen Passagiere legte.
Es ist jetzt 8 Uhr morgens, ich trinke meinen 4. Chaitee und frage mich, was mich gestern geritten hatte, dass ich Bus, Boot, Bahn gefahren und getrampt bin, um 300 km zurückzulegen, 2 Forts zu besuchen und auf den Backwaters rumzutuckern. Ich glaube, dass es in dem natürlichen Chaos Indiens liegt und ich es deshalb so sehr genieße.

Wednesday 9 January 2008

Zugfahren ist Indien

Ich bin gestern Morgen nochmal zum Strand gegangen, um kurz ins Meer zu springen, bevor ich mich auf den Weg nach Mangalore gemacht habe.
Mein Strandgang lässt sich gut als Kameraflug beschreiben und beginnt mit dem Flug durch die Straße, die zum Strand führt , vorbei an zahllosen Geschäften, Internetcafés und Reisebüros, die das Leben des Pauschaltouristen erleichtern. Am Strand angekommen, leuchtet das blaue Meer und der wolkenlose Himmel der Kamera entgegen. Ein Schwenk nach links und nach rechts offenbart grüne, hochragende Palmen hinter der Strandpromenade, die mit Restaurants, Sonnenstühlen, Fischerbooten und Volleyballnetzen gepflastert ist. Durch das Bild der Kamera laufen dünne, dicke, schöne, hässliche, aber allesamt sperrlich bekleidete Menschen, die sich in der Sonne brutzeln lassen. Plötzlich zoomt die Kamera auf eine Frau, die um die 50 ist und deren Oberkörper komplett entblößt, jeder nichts ahnenden Kamera ihren schönheitsoperationsgedrillten Busen aufzwingt. Der Kamera wird es jetzt zuviel und sie schwebt weiter, um den Busen und dessen deutlich sichtbare Operationsnarben zu vergessen.
Nach diesem leichten Strandschockerlebnis bin ich heilfroh in den Zug nach Mangalore gestiegen. Ich hatte fast vergessen wie schön und interessant das Zugfahren in Indien ist. Während der ganzen Fahrt saß ich neben einer brasilianisch-indischen Familie, die in Indien Urlaub macht, um ihre Verwandten zu besuchen. Wir unterhielten uns sehr gut, aber was mir am stärksten in Erinnerung geblieben ist, war eine sehr lustige Handlung des Gatten der Brasilianerin, die einen sichtbaren Bartwuchs (muss wirklich schlimm für sie sein) hatte und sich wahrscheinlich rasieren musste. Der Ehemann näherte sich zärtlich mit seiner Hand dem Gesicht seiner Frau und zupfte vor meinen Augen ein abstehendes Barthaar aus ihrem Gesicht. Zwei Sekunden der Stille und wir alle lachten herzlich auf.
Sehr witzig war auch das permanente Grölen der indischen Jugendlichen, sobald wir mit dem Zug durch einen Tunnel fuhren. Sie hielten diese Prozedur wirklich sechs Stunden lang während der ganzen Zugfahrt durch.
Am späten Abend aß ich Dosai und schaute in die tiefschwarze Nacht, während der Zug durchs Nichts zu schweben schien. Ich hatte das Gefühl völlig losgelöst von der Welt mit dem Zug durch die Unendlichkeit zu fahren. Die Unendlichkeit war doch sehr endlich und ich bin sehr zufrieden in Mangalore angekommen.

Tuesday 8 January 2008

Kater und Abschied mit Freude

Ich kann es kaum fassen, dass ich wirklich einen Kater habe, nachdem ich gestern Abend nur ein einziges „Kingfisher Strong Beer“ getrunken habe. Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich seit Monaten kein Bier konsumiert habe und unter hohen Temperaturen Alkohol eine stärkere Wirkung hat.
Ich habe es mal wieder versucht mich mit Engländern zu unterhalten, aber mic him Endeffekt nur mit einer Australerin, polnischer Abstammung, unterhalten Der Unterschied zwischen der australischen und der englischen Mentalität ist riesig und die Australerin formulierte sehr treffend: „Yeah, they are British“ Who else would send all their prisoners to paradise and stay on a small, rainy island?“ (Jupp, das sind die Engländer! Wer sonst würde seine Gefangenen ins Paradies schicken und auf einer kleinen, regnerischen Insel bleiben?) Mehr möchte ich dazu auch nicht mehr meinem Blog und vor allem euch antun.
Ich hatte heute nicht die Geduld zu trampen und entschied mich einen Bus nach Palolem, laut Reiseführer der paradiesischte Ort in Goa, zu nehmen, um mich dort zu entscheiden, ob ich noch mehr von Goa bzw. EuroGoa sehen möchte. Leider gab es um 9 Uhr keine Direktbus mehr, was für mich 5x umsteigen bedeutete. Im Nachhinein hätte ich vielleicht doch trampen sollen und wäre fürer hier angekommen.
Ich bin jetzt in Palolem und habe noch ein wenig Suche ein Zimmer für 150 Rs gefunden, was hier im hippen Goa schon recht günstig ist. Es ist Hauptsaison hier und sie versuchen Holzhütten für über 200 Rs zu vermieten. Als ich zum Strand ging, musst ich an zahllosen Stränden vorbei, die im Endeffekt ein Stand mit enormer Wiederholung waren. Auf dem Strand angekommen, sah ich all die Sonnenverbrannten wie sie minutiös jeden Quadratzentimeter des Strandes bedecken. Paradies habe ich mir anders vorgestellt. Mit ein bißchen Phantasie war dieser Ort vor 20 Jahren bestimmt paradiesisch mit seinen grünen Palmen an der Küstenlinie, dem weißen Sandstrand und dem tiefblauen Meer.
Ich glaube, dass ich mit der falschen Erwartungshaltung nach Goa gefahren bin und mich nur schwer umstellen könnte, was ich aber eigentlich auch gar nicht will.
Mein Blick in die Speisekarten hier verschlägt mir bei den Preisen den Appetit. Das gute und günstige Thali suche ich hier vergebens und mss wohl doch mal tiefer in die Tasche greifen. Zum Vergleichen: ich habe in Mysore für einen Fruchtsalad 5 Rs bezahlt und hier verlangen sie 50 Rs!
Es ist auch eine Seite Indiens, die ich erfahren habe und nicht weiter erkunden möchte, daher habe ich den Entschluß gefällt so schnell wie möglich nach Süden zu reisen. Adios Goa and welcome back India.

Monday 7 January 2008

Danbarkeit, Abschied und Bratwurst bidde!

Ich bin von Mysore aus wieder zurück nach Bangalore getrampt und habe einerlei kurioses erlebt. Zunächst musste ich die Hauptstraße nach Bangalore finden und bin bis zur Stadtgrenze gelaufen. Zwischendurch haben mich ein Autofahrer und ein Motorradfahrer bis zur nächsten Bushaltestelle mitgenommen. Es fuhren extrem viele Busse nach Bangalore an mir vorbei, die ich aber nicht nehmen wollte. Ich untertreibe eher, wenn ich schreibe, dass alle 5 min ein Bus nach Bangalore an mir vorbei fuhr. Ihr könnt euch selber ausrechnen wie viele Busse es sind, unter der Annahme, dass in der Nacht jede Stunde ein Bus fährt!
An der Stadtgrenze hat mich dann ein Traktor aufgegabelt und 15 km näher an Bangalore gebracht. Der Traktorfahrer fuhr auf der Autobahn konstant auf der Überholspur und mir stockte der Atem, als er auch noch anhielt, um einem Mann auf der anderen Straßenseite zu zuwinken und etwas zu deuten. Dieser schwang sich einen Zementsack über die Schulter und bugsierte diesen auf die Ladefläche des Traktors. Der Traktorfahrer fuhr diese Strecke jeden Tag 10x, um Sand aus Srirangapatnam nach Mysore zu transportieren. In Srirangapatnam angekommen, musste ich eine halbe Ewigkeit auf meine nächste Mitfahrgelegenheit warten, die letztendlich ein rasender Kleintransporter war, mit dem ich zu fünft in der Fahrerkabine Richtung Vorstadt von Bangalore fuhr. Der ganze Trip hat mich nur 44 Rs (80ct) gekostet, was so gar nicht im Verhältnis zur Rikscha steht, die ich zu Roopas Haus bezahlen musste. Der Rikschafahrer kannte sich offensichtlich nicht aus und präsentierte mir eine Rechnung von 150 Rs, die ich jedoch ablehnte. Letztendlich endete ich die Verhandlungen bei 100 Rs, da ich keine Lust mehr zum Feilschen hatte.
Ich aß ein spätes Mittag gemeinsam mit Roopa und nahm zum letzten Mal Abschied von ihr, weil sich unsere Wege vermutlich nicht die nächsten zwei Jahre kreuzen werden. Ich bin ihr sehr dankbar, da ich ohne sie Indien niemals so erlebt hätte, wie ich es in den letzten Monaten erfahren habe. Ich habe sie nach Berlin eingeladen und würde gern diese erstaunliche und selbstlose Gastfreundlichkeit einen Teil ihrer Erfahrung werden lassen.
Am späten Abend bin ich gemeinsam mit Pratap und Rajith, die ich zu einem Kurztrip zu den Jogwasserfällen überreden konnte, in den Nachtbus nach Sagar gestiegen, Die Jogfälle sind waren erstaunlich wenig frequentiert, obwohl es die höchsten Wasserfälle Indiens sind. Es war unbeschreiblich schön, und auch ein ein wenig beängstigend, sich über einen Felsvorsprung zu legen und direkt ins Tal zu blicken. Mir kamen Überlegungen wie: „Was wäre, wenn es jetzt knacken und ich in den Abgrund sausen würde?“ in den Kopf. Trotz meiner schwindenden Höhenangst durch die Dachkonstruktion im Youth Center in Auroville, bin ich immernoch nicht ganz frei von Angst und hab mich auch nur kurz auf dem Felsvorsprung Aufgehalten.
Mit dem Erreichen des Zenits wurde die Sonne immer heißer und mein Sprung unter den Wasserfall gab mir die nötige Erfrischung und eine wunderbare Kopfmassage. Wir blieben bis zum späten Nachmittag und fuhren mit dem Linienbus nach Sagar zurück, um dort den nahe liegenden Tempel zu besuchen. Der Tempel lag zwischen Palmen, zwei kleinen Teichen und erleuchtete in einem wunderbaren Abendrot. Die Schatten verstärkten die Verzierungen des Tempels und schufen eine sehr schöne Atmosphäre in der ich den Sonnenuntergang mit Patrap und Rajith gemeinsam genoss.
Nach einer Nacht auf dem Busbahnhof, da ich keinen passenden Anschlussbus mehr gefunden habe, bin ich jetzt in Gokarna angekommen und werde von der Touristenansammlung hier erschlagen. Laut meinem Reiseführer sollen hier weniger Touristen sein und dementsprechend auch gemütlicher als in Goa sein. Ich hoffe, dass mein Reiseführer unrecht behält, da ich sonst in Goa keine Inder und indische Kultur mehr finden werden. Nichtsdestotrotz ist es hier sehr paradiesisch mit den feinen Sandstränden, blauem Meer, phantastischem Sonnenschein und blauem Himmel.
An mir ziehen nicht nur Ströme von Touristen vorbei, sondern auch Massen von schwarz gekleideten Pilgern. Ihr Ritual ist es sich vorher im Meer zu waschen, was sie von einigen Sünden befreit, und dann zu den zwei Tempeln zu pilgern, um dort ihre Absolution für weiter kleine Sünde zu erhalten. Es existiert hier ein Schrein, der nur alle 40 Jahre geöffnet und der Öffentlichkeit zugängig gemacht wird, weil er es jedem Hindu ermöglichen soll sich von allen Sünden rein zu waschen, sogar von der Tötung eines Brahmin! Es ist schon sehr belustigend, wenn gar erschreckend, zu sehen, wie eine Frau ohne Büstenhalter (sehr sichtbar unter dem knappen Shirt!!) neben den Pilgern durch die Gassen stolziert. Als Folge dieses rücksichtslosen Verhaltens, sind in der Stadt Schilder mit Hinweisen, wie Frau/Mann/Mensch sich bitte kleiden soll, aufgestellt und der Zutritt zu einem der Tempel ist sogar völlig untersagt.
Für mich zeigt sich hier deutlich, wie wenig solche Menschen sich mit ihrer Umgebung und der fremden Kultur auseinander setzen. Demnächst heißt es nicht mehr wir fahren zum „Ballermann“, sondern auf zum „Gokarmann“ und dem Gastwirt zum Nandi (heiliger Bulle Shivas) serviert die Bratwurst á la amma (Tamilisch Mutter).

Thursday 3 January 2008

Indien fuer Fortgeschrittene

Ich fühle mich glücklich, weil ich euch in meinem Herzen habe und bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich hier machen darf. Nach über 3 Monaten Indien habe ich das Gefühl, dass ich mich natürlich durch die Straßen bewege, weil ich ihre Gesetze und Macken kenne. Mein Körper hat sich auch den Gegebenheiten angepasst und sondert bei 30 °C im Schatten nicht mal mehr Schweiß ab. Mein Tagesbudget habe ich fast auf 200 Rs (4€) reduziert, weil ich die westlichen Restaurants konstant gemieden habe, fast nur gelaufen bin, gut feilsche und mich genauso wie alle Nichttouristen ;-) ernähre. Die etwas einseitige Kost von Thali (Reis mit verschiedenen Soßen und Joghurt) am Morgen, Mittag und Abend, versuche ich mit viel Obst zu kompensieren, was mir bei dem schieren Angebot an frischem Obst keine Schwierigkeiten bereitet. Ich komme mir manchmal ein bißchen geizig vor, wenn ich um 5 Rs für einen üppigen Fruchtsalat, bestehend aus saftig orangefarbener Papaya und süßlich gelber Annanas, feilsche. Es geht weniger um das Geld, sondern vielmehr um die Tatsache, dass ich die Preise langsam kenne und die Verkäufer mich nicht mehr grinsend verarschen können. Vielleicht ändert sich mein Feilschverhalten wieder in ein paar Wochen, wenn ich das Feilschen überdrüßig geworden bin. Ich verfolge zur Zeit eine sehr erfolgreiche Verhandlungstaktik, die eigentlich gar nicht auf verhandeln beruht, sondern viel mehr den Verkaufsmenschen oder Ticketschalterbürokraten vor vollendete Tatsachen stellt, da ich ihnen einfach so viel Geld, dem vermuteten Wert entsprechend, in die Hand drücke, ohne nach dem Preis zu fragen. Das hat heute so gut funktioniert, dass ich 8 Banannen für 5 Rs (10 ct) und alle meine kleinen Zwischensnacks wie Gurken und Samosa für unter 2 Rs (3ct) bekommen habe. Der Höhepunkt meiner Verhandlungen war am Schalter des Maharaja Palastes, an dem Einheimische 20Rs, Studenten 10Rs und Touristen 100Rs bezahlen sollten. Dreist wie ich bin, habe ich es erst mit Student für 10 Rs versucht, aber leider wollte der Ticketbürokrat mir das nicht abkaufen und verlangte 10Rs mehr. Ich lächelte sehr erfreut und gab ihm weitere 10 Rs. Mit einem leicht mulmigen Gefühl ging ich durch das Tor, weil ich nicht wußte, ob die Ticketkontrolleure mich auch als Einheimischen einstufen würden. Es ist aber alles gutgegangen und ich habe fast mein halbes Tagesbudget gespart. Der Palast war extrem prunkvoll, einerseits sehr schöne Ornamente und Fenstermalereien, andererseits sehr überladen, was wahrscheinlich daran liegt, dass der Palast um 1900 gebaut wurde und eine Mischung aus indischer ,islamischer und europäischer Architektur und Kunst ist. Ich bin mehr oder weniger schnell durch den Palast gelaufen, um dem Touristenpulk zu entfliehen.
Ich war vorher im Jaganmohan Palast, der viel weniger frequentiert, aber wesentlich mehr inspirierend, war. Er war früher ein Rückzugspunkt für die königliche Familie und beinhaltet heute eine Kunstgalerie, deren Exponate mir sehr gefielen. Wenn ihr Zeit habt, sucht mal nach „Glow of hope“ von Haldenkar und „Night“ von Gogendranath Tagore. Letzterer hat noch mehr Studien („Morning“, „Brothers Letter“, „Curiosity“, „The Steps“) zu Licht gezeichnet, die ich absolut faszinierend fand. Nach soviel inspirierender Kunst und Architektur habe ich mich selbst an ein paar Bleistiftskizzen versucht und die Freude am Zeichnen entdeckt. Es ist schon komisch, dass ich früher nie gezeichnet habe, weil ich mich nicht gut genug fühlte, aber jetzt zeichne ich, weil es mir Spaß macht und es meine Sicht auf die Welt bereichert.

Wednesday 2 January 2008

Wechsel ohne Umbruch

Ich sitze auf dem Chamundi Berg und genieße die Aussicht auf Mysore in der Mittagssonne.l Er ist einer der 8 heiligen Berge Indiens und wird dementsprechend stark bepilgert. Auf der Spitze stehen mehrere Tempel, wovon der Haupttempel das Zentrum bildet. Möchte der Besucher durch den Haupteingang den Tempel betreten, was alle Pilger wollen, muss er 100 Rs, statt der 20 Rs für den Nebeneingang, berappen. Es werden also nicht nur Touristen, sondern auch die eigene Bevölkerung abgezockt.
Ich bin gestern gemeinsam mit Pratap und Roopa nach Mysore gekommen, um mir die Stadt aus ihrer Sicht anzuschauen. Es war eine Flut von neuen und bekannten Eindrücken, die mich manisch durch die Straßen laufen und photographieren ließ. Mysore ist eine wunderbare, nicht ganz so chaotische Stadt, um in den kleinen Gassen und auf den Märkten herum zu schlendern. Touristenattraktionen gibt es hier nur wenige, aber das Leben auf den Straßen ist aufregend und zeigt mir Indien in einer viel schöneren, bunten und intensiveren Form. Ich stelle hier wieder fest, dass ich in Auroville wie auf einer Insel gelebt habe, auf der einige wenige Einflüsse Indiens zur Insel rüberschwappen und die Inselbewohner sich der Festlandmenschen bewusst sind. Aber wenn ich Indien stärker erfahren möchte, muss ich durch das Meer schwimmen und wieder zurück auf das Festland kehren.
Soweit ich mich an meine vergangenen Neujahreswechsel erinnern kann, hatte das ruhigste Neujahr meines Lebens, dass sich auch nicht als Jahreswechesel anfühlte. Sonst ziehe ich ein Resumé des vergangeen Jahres und schlage die neue Seite für das nächste Jahr auf, aber hier in Indien und auf Reisen ist die Seite nur halb gefüllt und lässt sich nicht ins Jahresraster pressen. Ich habe auch bemerkt, dass Zeit für mich viel weniger eine Rolle spielt als zuvor, da nicht die quantitave Erfahrung, sondern die qualitative Erfahrung für mich wichtig ist. Sicherlich streben wir alle dannach, aber es wird mir im hier und jetzt viel bewußter. Ich habe mein Neujahr im Zimmer von Pratap verbracht, der noch vor Mitternacht ins Bett ging und mich meine Telefonate neben seinem Schnarchen führen ließ. Sowohl Roopa, als auch Pratap feiern kein Silvester, da sie nicht dem Sonnenkalender folgen.
Mich hat gerae ein Polizist von meinem Felsen verscheucht, da es zu gefährlich sei hier zu sitzen. Ich stehe seiner Hilfsbereitschaft sehr skeptisch gegenüber, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass uniformierte Menschen in Indien sehr gern ihren authoritären Gelüsten fröhnen. Dies artet teilweise in hemmungsloser Gewaltausübung aus, was mir zum Glück noch nicht selbst wiederfahren ist.
Da ich mich in einem anderen Kulturkreis befinde und keinen unnötigen Konflikt wünsche, packe ich also meine Sachen und schlendere den Berg wieder runter. Auf dem Weg in die Stadt hab ich mich wieder per Anhalter mitnehmen lassen. Ich hätte das viel früher ausprobieren sollen, dann hätte ich nicht nur Geld gespart, sondern wäre ein paar Erfahrungen reicher. Als Daumenregel kann ich sagen, dass Kleinwagenfahrer sehr gut Englisch sprechen, da sie eine gute Bildung haben oder sehr viel Kontakt mit Touristen haben. Beides ist eine Vorraussetzung um in Indien, aber auch in der ganzen Welt, einen gewissen Reichtum zu erlangen. Meine Mitfahrgelegenheit war Immobilienmakler in Mysore, der sich eine goldene Nase verdient, seit sich Bangalore zum indischen Silicon Valley entwickelt hat. Viele Firmen und deren Angestellte kaufen sich in Mysore Häuser, um sich vom gestressten Bangaloreleben zu erholen.

Tuesday 1 January 2008

Auf in das Unbekannte

Ich bin wieder auf Reisen und spüre die Euphorie in mir emporsteigen. Es war schön an einem Ort zu verweilen und ein geregeltes „Altagsleben“ zu haben, aber jetzt fühle ich wieder den Drang, Unbekanntes zu entdecken und zu erfahren.
Meine erste Station ist wieder das mir bekannte Bangalore, die Heimat von Pratap und Roopa, die mich beide zum Neujahr einluden. Ich kenne so ziemlich alle öffentlichen Verkehrsmittel in Indien und beschloss daher nach Bangalore per Anhalter zu fahren. Rena brachte mich zur „Chennai Bypass Road“ in Pondicherry, auf der die meisten Lastwagen Richtung Bangalore fuhren. Nach ungefähr 10 min hielt ein Lastwagen an und ich stieg durch eine kleine Tür in die Fahrerkabine ein Der Fahrer hieß Mutu und war Vater von zwei Söhnen, die mit ihm durch das Land fahren. Ich saß über dem Motor und wurde mit extrem lauter, tamilischer Musik bestrahlt. Einer der Söhne musste immer aus dem Beifahrerfenster schauen und Zeichen an die anderen Verkehrschaoten bzw. den Fahrer selber geben. Damit die Kommunikation ziwschen dem Vater (gleichzeitig auch der Fahrer) und dem Sohn (der Beifahrer) klappen konnte, befand sich über dem Fahrersitz eine Leiste mit sechs Lichtschaltern, wovon einer das Radio an- und ausschaltete. Ich wurde während der zweistündigen Fahrt also nicht konstant mit Musik bestrahlt, sondern wurde mit schreihaften Zurufen, da sie alle taub zu sein schienen, aus meiner Trance geholt. Neben diesen akustischen Wahrnehmungen spürte ich jede Unebenheit der Straße an meinem Arsch. Auch wenn die Straße eben zu sein schien, wackelte die Fahrerkabine konstant die ganze Fahrt hindurch. Richtige Unebenheiten, auch Schlaglöcher genannt, rüttelten mich kräftig durch. Ich kam mir vor als wenn ich auf einer Schleudermaschine mit Unwucht säße.
Mutu setzte mich 2 km vor Tindivanam ab und nahm nur sehr unwillig die 10 Rs (20ct) an, die ich ihm für seine Hilfe gab. Ich lief nach Tindivanam rein und hielt Ausschau nach einer Mitfahrgelegenheit. Leider gestaltete sich die Weiterfahrt als nicht so einfach wie der Beginn meiner neuen Transporterfahrungen. Mit dem Einsetzen der Dämmerung nach ca. 5km Fußmarsch hielt ich meinen Daumen auch für Linienbusse raus und nahm einen Linienbus nach Thiruvannamalai, um dort in den Nachtbus nach Bangalore einzusteigen. Ich möchte noch anmerken, dass der Fußmarsch sehr schön war, da ich die Langsamkeit des Laufens und den damit verbundenen näheren Kontakt zu den Menschen, sehr genoß. Ausnahmslos waren alle Menschen sehr verwundert mich trampen zu sehen und reagierten mit freundlicher Neugier und Interesse. Ich kam gegen 2 Uhr Nachts in Bangalore an und konnte zum Glück Pratap erreichen, der mich auch prompt vom Busbahnhof abholte.
Ich bin immer noch überwältigt von der indischen Gastfreundlichkeit, die ich hier durch alle Schichten bzw Kasten erfahre. Selbstlose Hilfe erfahre ich, egal, ob es der fremde Truckfahrer oder meine Brahminfreunde sind. Danke Indien :-)!

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