Monday 31 December 2007

Weihnachten im Warmen

Weihnachten im Jahr 2007 ist sonnig, warm und so unweihnachtlich wie es nur sein könnte. Es fühlt sich ganz seltsam an weit weg im feuchtwarmen Klima die Weihnachtstage zu verbringen. Irgendwie ist es auch ein gutes Gefühl, ohne Weihnachtsstress, Konsumrausch und außerirdischer Beleuchtung durch das grüne Auroville zu fahren.
Der Vollmond ist hier genau auf den 24. gefallen und schuf eine wunderbare Atmosphäre. Ich saß um 6 Uhr Abends am Strand, hörte die WEllen rauschen, spürte feuchtsalzigen Wind auf meiner Haut und sah zum ersten mal bewußt einen fantastischen Mondaufgang. Der Mond stieg in glühendem Rot aus dem Meer und verwandelte sich langsam in die gelbe Scheibe mit Kratern, die wir normalerweiser beobachten können. Ich verstehe jetzt auch viel besser, wie Photographien von roten Sonnen in Dunkelheit geschossen werden, ohne dass sie am Computer bearbeitet wurden. Es ist einfach keine Sonnenaufgang oder Untergang, sondern ein Vollmondaufgang.
Meine Bescherrung fand dieses Jahr dann auch mit Rena am Strand statt. Wir saßen gemeinsam am Strand und bescherrten uns gegenseitig. Es war ein sehr schöner und bedächtiger Moment, der mir stark in Erinnerung bleiben wird.
Am Abend hatten wir das Gemeinschaftsessen im Besucherzentrum gebucht, dass durch sehr weihnachtliche Atmosphäre angepriesen und beworben wurde. In Realität war es mehr ein Weihnachtskampf, als ein besinnliches Gemeinschaftsmahl. Es gab nicht genügend Tische und Stühle, weshalb jeder zu den Tischen hetzte, um einen Platz für sich bzw. für die ganze Familie zu reservieren. Die nächste Schlacht war das Ergattern der Essensmarken, um dann letztendlich mittelmäßig, laufwarmes und auf kleine Mägen konzipiertes Essen vor den Latz gesetzt zu bekommen. Es war nicht meine erhöhte Erwartungshaltung für normalerweise delikates Weihnachtsessen, sondern leider wirklich die schlechte Zubereitung. Natürlich war es auch kein richtiges Restaurant, obwohl die Preise für indische Verhältnisse schon ein gehobeneres Restaurant vermuten ließen, sondern eine Selbstbedienungsessensausgabe, was den Vergleich zur Mensa, sowohl in Qualität, als auch in Quantität nicht abwägig erscheinen lässt. Wir aßen alle in sehr gestresster Atmosphäre und die Spannungen lösten sich erst, als wir Guitarre spielten und in kleiner Runde sangen. Pratap und Abishek, zwei indische Freunde, waren zu Besuch und brachten zum Glück ihre Klampfe mit.
Je später der Abend wurde, desto besser wurde die Stimmung. In der Nacht fuhren wir dach Fertile, einer sehr naturverbunden lebenden Kommune mitten im Wald. Es war ein schöner Ausklang des heiligen Abends am Feuer zu sitzen, Käsekuchen zu essen und am Feuer zu dösen.

Wednesday 12 December 2007

Ein Tag in Auroville

Letztes Wochenende war ich auf einer indischen Hochzeit in Chennai, auf die mich Pratap einlud. Es war ein sehr interessantes, tielweise aber langatmiges Erlebnis, das mein Bild von Indien weiter formte. Es waren nur Rena und ich zwischen einer Masse indischer Hochzeitsgäste, die sehr geduldig auf ihren Stühlen die Zeremonien verfolgten und eigentlich nur zu den Mahlzeiten sich zur „Kantine“ bewegten, um dort das Essen hineinzuschaufeln. Auf den langen Bänken waren Bananenblätter als Teller ausgelegt, auf denen die zahlreichen Kellner das Essen aus Eimern vor die Gäste schaufelten. Es war eine große Massenabfertigung der geladenen Gäste, wobei dies aber mit einer sehr großen Aufmerksamkeit geschah. Sobald das Bananenblatt sich dem Ende neigte, wurde sofort aufgefüllt. Es war erstaunlich zu beobachten wie schnell meine Tischnachbarn ihre Bananenblätter leerten und ich konnte verschiedene Handessenstechniken analysisieren. Einige schoben das Essen sehr elegant mit dem Daumen in den Mund, andere wiederrum aßen extrem schnell weil sie die ganze Hand in den Mund schoben. Alles in allem war das Essen geschmacklich sehr gut, aber die Essensatmosphäre ziemlich gestresst.
Die Heirat war zwischen einer Cousine und einem Cousin, was keine Besonderheit im Kreise der Brahmin ist, da diese nur einen Bruchteil der indischen Gesamtbevölkerung stellen. Mir wurde hier noch stärker bewusst, wie stark das Kastensystem noch in Indien präsent ist. Pratap hat mir von ein paar Hochzeiten erzählt, die nicht innerhalb der gleichen Kaste waren und welche Komplikationen dies mit sich bringt. Es ist immernoch inakzeptabel jemanden aus einer anderen Kaste zu heiraten. Der Druck kommt nicht nur aus eigenen Familie, sondern auch sehr stark von den entfernten Verwandten und Nachbarn. Als Folge brechen diese sogar den Kontakt zu Familie ab und erscheinen natürlich auch nicht zur Hochzeit. Fremdkastenhochzeiten sind dementsprechend sehr klein und weniger prunkvoll. Im Kontest der Bedeutung der Famlilie hier in Indien, ist es extrem hart für das Hochzeitspaar ohne den Familienrückhalt zu leben und zu überleben.
Die Hochzeit in Chennai gab mir weider ein bißchen Distanz um über Auroville und mich zu reflektieren. Solange ich in Auroville bin, lebe ich ein sehr schönes „Altagsleben“, das sehr stark im Kontrast zum Reisen und seinen Eindrücken steht. Ihr habt sicherlich schon bemerkt, dass ich hier weniger blogge. Dies liegt vor allem daran, dass es mir schwer fällt Zeit zum Schreiben zu finden, obwohl ich mich stationär an einem Ort befinde. Ich finde es selber setlsam, dass ich mehr Zeit zum Schreiben finde, wenn ich reise, aber nicht, wenn ich einen halbwegs geregelten Tagesablauf habe. Vielleicht schreibe ich euch mal, wie so ein typischer Auroville Tag bei mir aussieht.
Ich gewöhne mich langsam daran früh aufzustehen und morgens um 7 Uhr zum Yoga zu fahren. Nach 1 ½ Stunden Yoga fühle ich mich äußerst entspannt und bin positiv für den Tag gestimmt. Ein ausgedehntes Frühstück, dass dekadenterweise aus Schokoladencroissants und frischer Annanas besteht, versetzt dann auch meinen Gaumen in Freude. Mein „Arbeitstag“ beginnt so gegen 10 Uhr und bestand die letzten Tage aus Mauern, Kabel verlegen und Telefonieren. Ich mache eigentlich alle Arbeiten, die so anfallen und mir möglich sind zu lösen. Das Youth Center war in den letzten Wochen eine Baustelle, da das Haupthaus erneuert werden musste.
Ach ja, das spannendste war eigentlich die Reinigung des Wasserturms, da sich darin eine Rate verirrt hatte und krepiert ist, wei lsie nicht mehr rauskam. Wir kletterten also einen Baum hoch um auf den Wassertank zu kommen. In luftiger Höhe stiegen wir in den abartig stinkenden Tank und reinigten diesen von Innen. Nach dem Reinigen stand ich einer ätzenden Luftwolke, da wir den Tank desinfizieren mussten. Es war eien ausgesprochen befreiendes Gefühl wieder aus dem Tank zu steigen und frische Luft zu atmen.
Gegen 12:30 Uhr gibt es dann Mittag, dass ich meist in der Solarkitchen zu mir nehme. Wieder zurück im Youth Center werkel ich dann noch bis 5 Uhr rum, wobei wir hier mindestens zwei Teepauseneinlegen, um den Chai von der Amma (Haushälternin) genüsslich zu schlürfen.
An zwei Tagen der Woche fahre ich zur Schule um Capoeira zu unterrichten und trainiere am Abend noch in der regulären Klasse, die sehr anspruchsvoll geworden ist, da ein neuer Trainer gekommen ist.
Jeden Dienstag koche ich jetzt vietnamesisch für ca. 20 Personen, was schon eine Herausforderung ist, da es gut schmecken soll und mindestens die Kosten decken muss. Das Essen ist prinzipiell für alle offen und quasi kostenlos, jedoch bitten wir um Spenden, da es sonst nicht möglich ist, es dauerhaft anzubieten.
Bisher war Auroville sehr weitläufig und ruhig, jedoch bemerk ich seit einer Woche, dass der Verkehr zunimmt und wesentlich mehr fremde Gesichter mir begegnen. Die Monsunzeit ist hier fast vorbei und die Touristensaison startet. Dies wird ganz stark sichtbar an den Geschäften, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, und der Ansammlung von Rikschafahrern, die nach frischen Touristen lechsen. Ich verstehe sehr gut, warum Aurovillianer sehr reserviert sind, da ich eine gewisse Antipathi gegen das Touristenphänomen entwickle, obwohl ich hier erst 2 Monate bin.
Ist es ein menschlicher Charakterzug, wenn es diesen überhaupt gibt, sich gegen neue Impulse wehren zu wollen, im Streben seine kleine Welt vor Veränderung zu schützen? Für mich ist es ein aktiver Prozess und eine bewusste Entscheidung mich diesen Impulsen zu öffnen und mich wirklich darauf einzulassen.

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