Thursday 22 November 2007

Ent-Täuschung und Komödien

Ich bin jetzt wieder zurück in Auroville und warte auf den Beginn eines thailändischen Theaterstücks. Es ist ein interaktives Theater, bei dem das Publikum die Jury spielt und ein Urteil am Ende des Stückes fällen muss. Wenn ich über die vergangene Woche reflektiere, kommen mir sofort zwei Erinnerungen in den Kopf. Die Erste ist eine große Enttäuschung und die Zweite die pure Komik des Lebens.
In Tanjore bin ich abends mit Rena mit dem Fahrrad durch die Straßen gefahren, um die Stadt bei Nacht zu erfahren. Kurz vor unserer Rückfahrt standen wir noch am Palast von Tanjore und unterhielten uns sitzend auf unseren Fahrrädern. Es war ungefähr 9 Uhr abends und ein Motorrad kam mit seinem Scheinwerfer auf uns zu und hielt neben mir. Der Mann wirkte ein wenig aufgebracht und ich verstand eigentlich nur: „This land is for Indians only.“ (Dieses Land gehört allein den Indern.) Wir wollten keinen großen Konflikt und fuhren sofort weiter. Es lag aber sehr schwer in meinem Magen und beschäftigte mich den ganzen Abend und die Nacht über. Es ist ein bißchen naiv anzunehmen, dass es in Indien keinen Rassismus gibt, aber es dann wirklich zu erfahren, ist viel bedrückender als erwartet. Der ganze Vorfall ist hauptsächlich geschehen, weil es in der traditionellen indischen Kultur gesellschaftlich verboten ist, dass ein Mann und eine Frau sich allein draußen zusammen am Abend bewegen.
In den letzten Tagen in Tanjore ist Rena krank geworden und lag mit einer schweren Erkältung im Bett. Wir sind mit ihr zu einem Artzt gegangen, dessen Besuch wir uns eigentlich hätten sparen können. Es ging nur darum Klarheit zu erlangen, ob sie wirklich nur eine Erkältung hatte oder etwas Ernsthaftes. Der Besuch beim Artzt bewirkte aber eher das Gegenteil. Die Praxis befand sich in einem ungefähr 2 m² kleinen Teilstück eines Flurs, neben einem Treppenaufgang. Die Ärtztin war ein bißchen fülliger, bewaffnet mit einer großen Plastikstablampe und einem antikenBlutdruckmesser. Das Resultat der Untersuchung basierte auf Kommunkationsschwierigkeiten und mangelhafter Ausrüstung. Die Ärtztin maß den Blutdruck, horchte den Körper durch die Kleidung ab und leuchtete mir ihrer Keule in den Mund, um ihre Diagnose zu stellen. Es war ihr nicht möglich das Fieber zu messen, da sie kein Thermometer aus hygienischen Gründen besaß. Als dann noch eine Ratte den Boden entlang rannte, war ich sehr auf die Diagnose und das Rezept gespannt. Sie stellte letztendlich keine Diagnose oder zumindest sagte sie kein Wort zu Rena's Zustand und verschrieb ihr Hustensaft, Vitamine, Paracetamol und Antibiotika. Das war wahrscheinlich ihr Standardrezept, dass sie allen Patienten verschrieb. Im Endeffekt hatten wir schon alle Medikamente, weil wir das Antibiotika nicht kaufen wollten. Keine Klarheit, aber eine Erfahrung reicher.
Auf der Rückfahrt nach Auroville waren es nur Rena und ich, weil sie nicht Nachts fahren konnte. Wir fuhren also am frühen Nachmittag vor der Tamilfamilie los, die erst am Abend durch die Nacht fahren wollte. Wir mussten diesmal nur 1x umsteigen, jedoch war die Fahrt genauso lang, da wir knapp drei Stunden lang unseren Anschlussbus nach Pondicherry suchten. Alle Beschriftungen der Busse waren in Tamil und wir versuchten die Zeichen zu vergleichen, um den richtigen Bus zu finden. Dieses Unterfangen war total erfolglos, weil die Beschriftungen nicht immer dahin führten, wo der Bus tatsächlich hinfuhr. Wir fragten uns also durch und wurden an vier verschiedene Stellen geführt, warteten, um dann festzustellen, dass der Bus hier nicht vorbeikam.
Beim Warten passieren die kuriosesten Dinge, wie sie nur dasLben schreiben kann. Wir saßen auf dem Bürgersteig, als plötzlich eine etwas korpulentere Frau hinter Rena ihr Ladung lud und dann mit einem genüßlichen Rotzgeräusch über Rena's Kopf hinweg spuckte. Da sie anscheinend sehr viel Schleim produzierte, lud sie noch ein zweites Mal und spuckte präziseauf die gleiche Stelle. Ein wenig später parkte eine Kuh ihren Hintern vor unsere Gesichter und entlud ihre Blase exakt an der gleichen Stelle, auf die die Frau vorher gespuckt hatte. Ich wusste nicht, dass eine Kuhblase anscheinend die Größe eines Zehnliter Eimers hatte. Der Wasserfall aus ihrem Hintern ließ aber nur diesen Schluss zu.
Wieder einen kurzen Moment weiter und ein Mädchen stieg aus einem Bus, bewegte sich ein bisschen blaß auf uns zu und entleerte ihren Magen, dessen Inhalt aus Idli und Dal bestand, auf Schleim und Kuhpisse. Wir konnten uns kaum halten vor Lachen und vergessen war der Wartestress auf die Busse.
Letztendlich fanden wir einen Inder, der gut Englisch sprach und genau das gleiche Ziel hatte wie wir. Wir hängten uns also an ihn ran und fanden unseren Anschlussbus.
Fazit des Tages war also, dass man in Indien an Busbahnhöfen nicht ohne Hilfe auskommen kann, auch wenn man die Sprache ein wenig beherrscht, jedoch die aberwitzigsten Dinge erfahren kann, wenn man nur lange genug wartet.

Sunday 18 November 2007

Eine weitere Facette Indiens

Nach einem Tag mit der Tamilfamilie kristallisieren sich komische Eigenheiten heraus. Der Lebensmittelpunkt der Familie scheint der Fernseher zu sein, der fast 20 Stunden am Tag läuft. Obwohl ich kein Tamil verstehe, hinterlässt dieses konstante Bestrahlen, egal ob beim Essen oder bei der „Siesta“, ermüdende Spuren und versetzt mich in eine Art Teillethargie. Neben der Geräuschkulisse des Fernsehers fügten sich die Schreie ihres dreijährigen Sohnes und vereinzelte Knallkörpergeräusche von außen ein.
De traditionelle tamilische Familie ist ein sehr gastfreundliches Patriarchat, in dem die Positionen und Aufgaben von Mann, Frau und Gästen genau festgelegt zu sein scheinen. Ich fand es unangenehm noch im Bett meinen Chaitee am Morgen serviert zu bekommen und nicht lange auf das folgende Frühstück warten zu müssen. Alle mahlzeiten wurden nicht zusammen, sondern in einer Hierarchie eingenommen. Zuerst mussten wir Gäste, dann der Großvater, die Söhne und zuletzt die Großmutter , sowie die Töchter essen. Dies geschah nicht nur psychologisch hierarchisch, sondern auch zeitlich hierarchisch. Es war schon erschreckend mit wieviel Aufmerksamkeit uns der weibliche Teil der Familie bediente. Sogar beim Händewaschen nach dem Essen gossen sie das Wasser über meine Hände, sodass ich nicht ins Bad zu gehen brauchte.
Die Hauptaufgabe der Frauen scheint das Kochen zu sein, das bei solch einer Hingabe (Ich nehme hier an, dass durch die Tradition und die große Zeitspanne, ihre Pflicht zur Hingabe wird.) auch super lecker war. Die Mutter bereitete zum Mittag ein sehr delikates Hähnchencurry zu , das so intensiv lecker war, dass ich mich hätte hineinlegen können (Ist schon ein komisches Sprichwort, weil ich dann das Hähnchen wäre und eigentlich mich nicht selbst essen will.).Das Essen war nicht nur geschmacklich herausragend, sondern auch in er Quantität, die wahrscheinlich die sieben Magen einer Kuh sprengen würde, wenn diese Fleischfresser wäre.
Neben dem Kochen scheint die äußere Pflege und Erscheinung die zweite Priorität der tamilischen Frauen zu sein. Zu jeder Mahlzeit kleideten sich die Frauen in einem anderen Sari. An einem Tag wechselten sie ungefähr vier mal ihre Saris, was in sehr großem Kontrast zu der sehr häuslichen Aufmachung der Männer stand. Der Vater saß häufig mit freiem Oberkörper und Bierbauch (eigentlich nur ein dicker Bauch, weil er kein Bier trank) in dem Zimmer und döste vor sich hin.
Die Familie verbrachte eigentlich den ganzen Tag zu Hause und bewegte sich, wahrscheinlich nur unsertwegen am Nachmittag zu einer Tempelanlage. Es war eines der besterhaltenen Tempel, die ich bisher sah. Der Haupttempel wurde aus einem einzigen Felsen geschlagen und kunstvoll verziert. Der Tempel war nur 15min von dem Haus entfernt, aber der Familie schmerzten die Füße nach einem Spaziergang durch einen Park und die Tempelanlage, sodass sie nach Hause gingen und Rena und ich die Stadt auf eigene Faust erkundeten.
Es ist sehr schön zu spüren, wie gastfreundlich die indischen Familien sind, an deren Häusern wir vorbei liefen. Es lag sicherlich an der festlichen Stimmung, dass sie uns in Heim einluden und uns Chaitee, sowie Süßigkeiten anboten.
Am Abend gingen wir noch auf eine kleine Tempeltour in der Nähe des Hauses, da in Tanjore ungfähr 100 kleine Tempel verstreut in der Stadt stehen. Bei dieser Tempeldichte mussten wir nur 500m laufen, um vier Tempel zu besuchen. Leider war die Kommunikation mit der Mutter relativ schwierig, da sie einen begrenzten englischen Altagswortschatz hatte und ihr die Worte fehlten, um über die Geschichte und die Bedeutung der Tempel zu reden. Es war dennoch sehr interessant, da wir alle religiösen Handlungen mitmachten.

Tuesday 13 November 2007

Diwali Festival

Ich sollte jetzt eigentlich in Auroville sein, aber habe mich spontan entschieden Rena und eine Tamilfamilie nach Tanjore zu begleiten. Es war eine schwierige Entscheidung, weil ich zwischen meinen Pflichten in Auroville und meinem Drang nach Erfahrung und Freiheit abwägen musste. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich bin jetzt sehr froh, dass ich der Spontanität den Vorzug gegeben habe und mitgefahren bin, obwohl ich keine Wechselklamotten, geschweige denn eine Zahnbürste bei hatte.
Ich sitze auf einer Strohmatte, dessen Geruch mich stark an Vietnam erinnert. Wir sind hier 10 Menschen, die für die nächsten vier Tage auf 20 Quadratmeter leben werden. Die Familie wohnt gerade bei den Nachbarn gegenüber, da eine Mauer in ihrem Haus während des Monsoons einstürzte. In dem „Lebenszimmer“ schlafen also Großeltern, Vater, Mutter, Kind, Schwester, zwei Brüder, Rena und ich.
Es ist ein ganz anderes Erlebnis als der Besuch bei Roopa, da die Familie sehr arm ist, aber es ist überwältigend wie gastfreundlich die Famlie ist, obwohl sie so wenig besitzen. Ich habe das Gefühl, dass je weniger die Menschen besitzen, desto mehr möchten sie es mit mir teilen.
Die Fahrt nach Tanjore war ein Extremum meiner Transporterfahrungen in Indien. Wir standen ziemlich lange am Busbahnhof, weil der Tamilvater erst versuchte allein in die Busse zu steigen um vier Plätze zu reservieren. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen, da die Massen sofort losstürmten, sobald ein Bus ankam. Die aussteigenden Passagiere mussten sich auch durch die hineinstürmenden Massen kämpfen. Ich kam nicht drum rum, mir einen von diesen superkorrekten Führentnern vorzustellen, die mich in Berlin immer zurechtwiesen, wenn ich in eine S-Bahn stürmte. Dieser Busbahnhof wäre der perfekte Trainingsort für sie, um mehr Gelassenheit zu lernen.
Nachdem wir zu viert Teil der Einstiegsmasse wurden, fanden wir noch zwei Sitzplätze in dem ersten von vier Bussen, die wir noch zu nehmen hatten. In dem ersten Bus stand ich neben dem Vater und fühlte mich wie auf einer Achterbahnfahrt. Unser Busfahrer war entweder suizidgefährdet oder einfach nur verrückt, da er kompromißlos auf der Mitte der Strasse blieb, in dem Wissen, dass alle anderen ausweichen würden.
Auf der Fahrt durch die Nacht erfuhren wir allerhand von Gerüchen, bei denen sich auch schon unsere indischen Mitpassagiere die Nase zuhielten. Dieser Geruchscocktail wurde in der Mitter der Fahrt noch durch Hundscheißegeruch ergänzt, da die Familie ein Hundewelpen in einer Tüte mitnahm, das sich auch mal erleichtern musste. Auf dieser total verrückten Busfahrt leidete die Mutter am meisten, da ihr sehr übel wurde und sie sich übergeben musste. Zivilcourage scheint in Indien sehr klein zu sein, solange jemand indisch aussieht. In dem zweiten Bus mussten wir alle stehen und weil niemand der Mutter seinen Platz anbot, kauerte sie sich auf den Boden im Gang des Busses. Es war wirklich erstaunlich zu sehen, dass der junge Mann neben ihr es genau registrierte, ein schlechtes Gewissen hatte, aber dennoch nicht den menschlichen Schritt tat ihr den Sitz anzubieten.
Irgendwann gegen vier Uhr kamen wir völlig fertig in Tanjore an und konnten zum Glück noch ein wenig schlafen. Die Mutter ist gar nicht zu Bett gegangen, weil sie mit den Vorbereitungen für das Diwalifestival beginnen wollte. Sie hatte uns schon vorgewarnt, dass sie um vier Uhr Morgens mit ihrer Haarpflege anfangen würde.
Diwali ist das größte Festival in Indien, das auch in ganz Indien gefeiert wird. Es ist ein Familienfest und eine Mischung aus Weihnachten und Silvester. Es gibt ein paar Geschenke für die Kinder und es erklingt Feuerwerk den ganzen Tag. Die indische Feuerwerksmentalität ist der vietnamesischen sehr ähnlich und kommt der Geräuschkulisse eines Krieges sehr nah. Kriegsopfer würde an Diwali wohl der Schweiß von der Stirn tropfen. Ich habe das Gefühl, dass es hier keine Begrenzung für die Menge an Schwarzpulver gibt, die in einen Knallkörper gefüllt werden darf. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen was passiert, wenn Feuerwerksmanie auf sprengstoffartige Knaller trifft. Es ist auch ein wenig bedenklich wie gedankenlos sie mit den Knallern umgehen, da hauptsächlich Kinder, ohne ihre erwachsenen Pendants, ihrem Spieltrieb mit dem Sprengstoff fröhnen.

Tuesday 6 November 2007

Glueckliche Unfaelle

Diesen Tag koennte ich wohl meinen Unfalltag taufen und ich fuehle mich trotzdem oder vielleicht gerade deswegen sehr wohl. Wir hatten einen schoenen, langsamen Start in den Tag und haben Plaene weiterzufahren verworfen. Am Anfang der Reise hat mir Rajit einen Ausdruck mit der Agenda unseres Trips in die Hand gedrueckt, die sehr detailiert und gepackt war. Zum Glueck fuehlen sie sich hier genauso wohl wie ich und liessen sich leicht umstimmen laenger in Hampi zu verweilen.
Nach dem ausgedehnten Fruehstueck nahmen wir das Boot zur anderen Seite und gingen zum Gobi Fahrradverleih (GOBI heisst eigentlich Blumenkohl). Die Strassen steckten in den Festivalvorbereitungen fuer die Utsava, die am Nachmittag began.
Die Fahrraeder waren sehr bescheiden und hatten superharte Sattel, die mir sofort die Schmerzen vom Hardcorefahrradfahren in Erinnerung riefen. Zum Glueck sind die Jungs nur Photographiefreaks und keine Fahrradenthusiasten. Wir fuhren also gemaechlich unter der heissen Sonne aus Hampi, um den Untergrundwasserfall zu finden. Riesige Steinformationen wechselten sich mit Bananenplantagen ab, bis wir in der Naehe des Wasserfals zu Fuss weitergingen. Wir erreichten dann eine Minital und ueberquerten den Fluss springend ueber Felsen im Wasser. Es gab zahlreiche Stellen, an denen der Fluss in dem Fels verschwand und Wasserfallgeraeusche emporstiegen, aber nach einer Stunde gaben wir die Suche auf und genossen die schoene Landschaft im Schatten bei einer leichten Brise.
Bei der Flussueberquerrung bin ich auf einem Felsen ausgerutscht und halb in den Fluss gefallen. Es war halb so wild, da ich mich abfangen konnte und mein Rucksack trocken geblieben ist. Nach 10 min Trocknung auf dem Felsen waren die Sachen wieder wie neu.
Das zweite Erlebnis, dass mein Adrenalinspiegel steigen liess, fing ganz harmlos an. Als wir das Tal mit seinem fluss, den Felsen, den Graesern und den Baeumen photographierten, erblickte ich zwei weissfarbene Bullen, die in wunderbarem Kontrast zum blauen Himmel, zum gruen der Vegetation und zum braunder Felsen standen. Ich naeherte mich den Bullen und schoss ein paar Distanzschuesse, jedoch manifestierte sich ein Motiv in meinem Kopf, das es erforderte, dass ich mich einem Bullen stark naeherte. Ich bewegte mich also auf den Bullen zu, flankiert von Pratap, Sandeep und Rajit, und konnte mich auf eien halben Meter naehern. An diesem Tag trug ich ein rotes Kopftuch, dass mir sofort wieder ins Bewusstsein schoss, als 500kg tierische Masse sich abrupt mit Zielstrebigkeit auf mich zu bewegten. Ich bin bestimmt 3m rueckwaerts gesprungen und war auch bereit in den Fluss zu springen. Zum Glueck hierlt der Bulle vorher an und hinterliess nur einen positiven Schockzustan in mir.
Wieder zurueck in Hampi kamen wir gerade rechtzeitig, um dem ersten Festumzug beizuwohnen. Maenner in farbenpraechtigen Kostuemen , in weissen Geweandern und ein orangefarben gekleideter Mann liefen vor einem Elephanten an der Spitze des Umzuges, begleitet von Fanfaren und Trommeln. Sie repraesentierten die Krieger, die Geistlichen und einen hohen Priester (Sadhu).
Nach diesem Feuerwerk von Motiven fuhren wir zurueck auf die andere Seite, um uns fuer den Abend frisch zu machen. Auf der Ueberfahrt verkeilte sich ein Zehnagel von mir in den Schuh meines Vordermannes und wurde zur Haelfte aus dem Nagelbett ausgehebelt. Dies war dann auch der letzte und schmerzhaftestes Unfall des Tages.
Nichtsdestotrotz bin ich am Abend ruebergehumpelt und habe meine erste indisch politische Rede verfolgt. Es war eine Geduldsprobe, die nicht nur ich, sondern auch zahlreiche Inder neben mir nicht bestanden . Wir gingen lieber durch die Strassen und genossen die schoene Atmosphaere.
Am spaeten Abend zeigten sie traditionellen indischen Tanz, begleitet von Livemusik. Es war eine Art Mix aus Theater und Tanz, der wunderbar ausdrucksstark war und auch ohne Worte zu verstehen war.

Friday 2 November 2007

Kuenstliche Wahrnehmung

Ich liege gerade auf meiner Haengematte im Garten des Hostels, lausche dem Rauschen der Blaetter und Blicke ueber den Fluss auf dei Tempelruinen auf der anderen Seite von Hampi. Die Temperaturen sind angenehm warm und laden mich zum Doesen ein.
Hampi ist eine alte Tempelstadt, die einst so fantastisch wie Rom gewesen sein musste. Es saeumen sich zahlreiche Tempel und riesige, behauene Steine entlang des Flussufers, die eine spirituelle Atmosphaere verspruehen. Zahlreiche Sadhus in ihren organgefarbenen Trachten laufen durch die Tempelstadt oder sitzen in den Tempelhoehlen am Fluss.
Neben diesem schoenen Flair hat sich Hampi leider extrem auf den Tourismus eingestellt. Dies zeit sich in den vielen Geschaeften mit pseudo indischen Produkten, westlichen Restaurants und geldfokussierten Sadhus, die sehr adrett gekleidet sind.
Ich bin hier mit absoluten Photographiefreaks unterwegs, die jeden Moment ein neues Motiv suchen und ablichten wollen. Pratap, Sandeep und Rajit arbeiten alle drei in Bangalore und nutzen ihre Kurztrips, um ihrer Leidenschaft zu froehnen. Wir werden hier oft gefragt, ob wir von der Presse waeren und das Festival morgen dokumentieren wollen. Es muss schon sehr witzig aussehen, wenn drei Inder und ein Vietnamese mit ihren Spiegelreflexkameras durch die Strassen ziehen.
Teilweise ist es mir zuviel staendig zu photographieren, da ich selbst anders durch die Strassen gehe und die Welt betrachte. Es ist eine regelrechte Jagd nach einem Motiv und weniger das sich Einlassen auf einen Ort und seine Menschen.
Das Hostel liegt auf der gegenueberliegenden Seite von Hampi und der einzige Weg ueber den Fluss ist das Boot oder ein ein 30km langer Umweg mit dem Auto. Die letzte Ueberfahrt ist um 6 Uhr Abends und wir entschieden uns, den Umweg zu nehmen, um mehr von Hampi zu sehen.
Es ist sehr angenehm mit den Jungs hier unterwegs zu sein, da ich mich nicht mehr mit den Haendlern rumschlagen muss. In einem Tempel sprach mich sogar eine Inderin an, weil sie dachte, dass ich aus Nordindien stamme und etwas wie Architektur oder Archaeologie studiere. Das ist bemerkenswert, da Inderinnen sehr scheu sind und sich schon unwohl fuehlen, wenn ich sie nach dem Weg frage.
Nach dem Abendessen wollte ich eigentlich nur noch ins Bett fallen, aber die Jungs waren noch lange nicht fertig. Sie haben sich im vornherein eine Genehmigung fuer die Nutzung eines Stativs geholt, um in der Nacht photographieren zu koennen.
Wir sassen dann also zu viert auf einem Tempelberg und warteten auf die Langzeitbelichtungen. Ein Photo wurde etwa 30min belichtet und dies liess uns viel Zeit fuer Unterhaltungen. Es war eine sehr schoene Atmosphaere unter dem Sternenhimmel zu sitzen, die Silhuetten der Tempelruinen zu sehen und den Grillen zu lauschen.
Auf der zweistuendigen Rueckfahrt zum Hostel hatten sie schon geplant am naechsten Morgen den Sonnenaufgang einzufangen. Ich wollte nur noch schlafen und suggerierte ihnen, dass wir uns zum Fruehstueck treffen werden, wenn sie zurueckaemen.

Modernes und Sureales

Nach einer sehr geruhsamen Nacht bin ich heute mit Roopa nach Nordbangalore gefahren, dass wesentlich ueberfuellter und noch westlicher war als Suedbangalore gestern. Im Endeffekt hat Roopa mir drei Orte zeigen koennen, da ich um sieben mit ihren Freunden verabredet war, um nach Hampi zu fahren.
Die meiste Zeit sassen wir in Rikschas und wurden mit Autoabgasen vollgempumpt. Ich glaube, dass Selbstmordopfer, die den Freitod durch Abgase suchen, wenig Erfolg haetten, da ihr Organismus sich an die horrenden Mengen in Bangalore gewoehnt haette. Es ist wirklich
ertaunlich, dass so eine gruene Stadt wie Bangalore in einer Wolke aus Abgasen untergeht. Bei einer Bevoelkerung von acht Millionen Menschen (stark steigend), dass der Bevoelkerung von London mit seinem ausgebauten Verkehrssystem entspricht, auf einer wesentlich kleineren Flaeche muss das Verkehrssystem kollabieren.
Wir fuhren zunaechst zum Bahnhof, um mein Rueckticket nach Chennai fuer Sonntag zu kaufen und Roopa war erstaunt, wieviel Privilegien ich als Tourist in Indien geniesse. In jedem groesseren Bahnhof gibt es einen Touristenschalter, an dem Touristen schneller bedient werden und eigentlich immer Tickets bekommen, da ein kleines Kontigent an Sitzen staendig fuer Touristen reserviert wird.
Unsere naechste Station war die MG Road (Mahatma Ghandi Strasse), dem Kudamm von Bangalore. Es war ziemlich schwierig eine Rikscha dahin zur Mittagszeit zu bekommen, da viele Rikschafahrer einfach keine Lust hatten. Ich habe eigentlich in keiner Stadt bisher erlebt, dass ein Rikschafahrer nicht fahren wollte, aber hier scheinen sie genug Kunden zu haben.
Nach einer einstuendigen Fahrt durch den Smog war ich in einer anderen Welt. Moderne, klimatisierte Geschaefte und extrem saubere Strassen liessen mich fuer kurze Zeit nach London reisen. Ich fuehlte mich wie in einem indischen Viertel in London mit seinen schicken Geschaeften. Die Geschaefte sahn nicht nur suendhaft teuer aus, sondern hatten auch das gleiche Preisniveau wie London. London ist schon auesserst teuer, aber im Vergleich mit dem Lohnniveau hier, ist es schier unglaublich.
Wir fuhren dann eine Stunde weiter in der Rikscha zum ISKCON (International Society for Krishna Consciousness), einem hypermodernen Tempel fuer die Foerderung indischer Kultur und Hinduismus. Von Aussen war der Tempel eine Mischung aus traditioneller Tempelarchitektur und moderner Hochhausglasarchitektur. Innen zeichnete sich ein freizeitparkartiges Bild, bestehend aus massiven Garderoben, Umzaeunungen und vielen Verkaufsstaenden. Die Haupthalle war laut, prunkvoll geschmueckt und glich eher einem Konsumtempel, als einem Ort der Ruhe und Meditation. Es war auch sehr befremdlich innerhalb des Tempels Geschaefte und ein Krishnakino zu sehen. Nach diesem Erlebnis ist es wirklich kein Wunder, dass Hare Krishna als Sekte eingestuft wird, da sie offenkundig den weltlichen Guetern froehnen und Spiritualitaet als Mittel benutzen.
Nach diesem Kulturschock der anderen Art, versuchten wir eine Rikscha anzuhalten, um Pratap (ein Freund von Roopa) in seinem Buero abzuholen. Der siebte Rikschafahrer war dann willig uns anderthalb Stunden durch die Stadt zu kurven. Pratap arbeitet als technischer Schreiber fuer eine IT-Firma, die ihren Sitz in einem hypermodernen Wolkenkratzer hat. Es war eine sehr sterile und auf Produktivitaet getrimmte Arbeitsumgebung, in der ich auf keinen Fall arbeiten wuerde. Dort angekommen fuhren wir gemeinsam zu einem Freund von Pratap, um dort zu Abend zu essen. Viele Gewuerze, starke Sossen und frisch gebackenes Chapati sind wahre Gaumenfreunden.
Gesaettigt und zufrieden machten wir uns mit dem Auto auf den Weg nach Hampi. Wir fuhren gegen 22 Uhr los und hielten nach ca. drei Stunden an einem herunergekommenen Motel, um dort unser Nachtlager aufzuschlagen. Es war ein altes Motel mit zahlreichen Raeumen und verspruehte eine dunkle Atmosphaere. Ich fuehlte mich wie in einem Tarentinostreifen mit drei Indern in meinem Raum, die ich kaum kannte, Zigarettenstummel verteilt auf dem Boden und einem tropfenden Wasserhahn. Jeden Moment koennte der Kellner aus "Four Rooms" reinkomen und die Realitaet sich komplett drehen lassen.
Leider drehten sich nur surrealistische Erlebnisse in meinen Traeumen ab und wir machten uns um fuenf Uhr Morgens wieder auf den Weg.

Der Westen in Indien

Bangalore ist eine sehr cosmopolitische Stadt, die auf mich einen stark verwestlichten Eindruck hinterlaesst. Es ist eine sehr gruene Stadt mit breiten Strassen und Alleen. Als ich heute zu Roopa nach Hause fuhr, kam ich in einem sehr sauberen Wohnviertel an. Es stehen kleine Einfamilienhaeuser dicht an dicht angeordnet in einem Gitternetzmuster.
Roopa und ihre Familie waren ueberaus gastfreundlich und haben mich sofort mit einem suedindischen Fruehstueck empfangen.
Nachdem ihre Mutter und ihr Bruder zur Arbeit fuhren, sind Roopa und ich los, um Suedbangalore zu erkunden. Es war eine ganz andere Art Indien kennenzulernen, da Roopa mir ihr Altagsleben zeigte. Wir fuhren zu kleinen Maerkten und Strassen, in denen sie mir zu jedem Geschaeft etwas erzaehlte. Ich wurde regelrecht mit schoenen, witzigen und interessanten Aspekten ihres Lebens bombardiert und war geistig nach der Haelfte des Tages schon voellig fertig.
Roopa gehoert der Kaste der Brahmin (hoechste Kaste) an und bewegt sich somit in der hoeheren Mittelschicht. Ihre Familie hat Verbindungen zu halb Bangalore und als wir durch die Strassen liefen, zeigte sie auf Gebaeude, die von ihrem Cousin oder einem naeheren Verwandten entworfen wurden.
Wir unterhielten uns viel ueber England und ueber Indien. Beim Thema England teilten wir unsere Ansichten fast uebereinstimmend, aber beim Thema Indien zeigte sich eine ziemlich radikale Sichtweise ihrerseits. Roopa ist ein absolut liebenswerter, toleranter und mitfuehlender Mensch, aber da sie ihre Grundfeste durch den Islam und das Christentum gefaehrdet sieht, entwickelt sie eine regelrechte Wut gegen die Missionierungsaktivitaeten anderer Religionen.
Dies widerspricht sehr dem Bild vom toleranten Hinduismus, dass ich bisher entwickelt hatte.
Ein sehr interessantes, viel lustigeres und weniger geladenes Gespraechsthema waren ihre Heiratsbestrebungen. Sie wird theoretisch von ihren Eltern verheiratet, aber sucht sich im Endeffekt ihren Partner selbst aus. Es war sehr witzig, als sie mir die Heiratswebsite zeigte, die eigentlich mehr einer Singleboerse mit hoeheren Ambitionen entsprach. Neben dem Photo, Angaben zur Physiologie und einer charakterlichen Kurzbeschreibung, wurden auch Kriterien wie die Kaste angegeben, da Roopa z.B. nicht jemanden aus ihrer Unterkaste heiraten kann, da dieser theoretisch ihr Bruder sein koennte. Sie erzaehlte mir noch von einigen Treffen mit den Anwaertern und es waren dann fast keine grossen Unterschiede mehr zwischen der Verzweiflung in Europa einen passenden Partner und in Indien einen Partner zu finden.
Am Abend ass ich mit ihrer Familie ein typisch suedindisches Abendessen und wir sprachen noch ein bisschen mehr ueber ihre Heirat im Kreise der Familie. Die Ansichten der Mutter und Oma gehen da sehr weit auseinander. Der Oma macht es sehr viel Spass mit Roopa zu suchen, jedoch findet sie nur Barttraeger passend, die Roopa gar nicht ausstehen kann. Ihr Credo ist, dass wenn der Mann keinen Bart traegt, dann muss die Frau zwangslaeufig einen Bart tragen, da in einer Familie immer ein Barttraeger sein muss. Ist doch eine sehr schluessige und umwerfende Logik fuer die Partnerfindung ;-)! Auf jedenfall war es herrlich witzig mit ihnen darueber zu plauschen.
Nach dem sehr leckeren Essen spielte Roopa mir noch traditionelle indische Musik vor, die mich langsam in den Schlaf trug.

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