Monday 31 December 2007

Weihnachten im Warmen

Weihnachten im Jahr 2007 ist sonnig, warm und so unweihnachtlich wie es nur sein könnte. Es fühlt sich ganz seltsam an weit weg im feuchtwarmen Klima die Weihnachtstage zu verbringen. Irgendwie ist es auch ein gutes Gefühl, ohne Weihnachtsstress, Konsumrausch und außerirdischer Beleuchtung durch das grüne Auroville zu fahren.
Der Vollmond ist hier genau auf den 24. gefallen und schuf eine wunderbare Atmosphäre. Ich saß um 6 Uhr Abends am Strand, hörte die WEllen rauschen, spürte feuchtsalzigen Wind auf meiner Haut und sah zum ersten mal bewußt einen fantastischen Mondaufgang. Der Mond stieg in glühendem Rot aus dem Meer und verwandelte sich langsam in die gelbe Scheibe mit Kratern, die wir normalerweiser beobachten können. Ich verstehe jetzt auch viel besser, wie Photographien von roten Sonnen in Dunkelheit geschossen werden, ohne dass sie am Computer bearbeitet wurden. Es ist einfach keine Sonnenaufgang oder Untergang, sondern ein Vollmondaufgang.
Meine Bescherrung fand dieses Jahr dann auch mit Rena am Strand statt. Wir saßen gemeinsam am Strand und bescherrten uns gegenseitig. Es war ein sehr schöner und bedächtiger Moment, der mir stark in Erinnerung bleiben wird.
Am Abend hatten wir das Gemeinschaftsessen im Besucherzentrum gebucht, dass durch sehr weihnachtliche Atmosphäre angepriesen und beworben wurde. In Realität war es mehr ein Weihnachtskampf, als ein besinnliches Gemeinschaftsmahl. Es gab nicht genügend Tische und Stühle, weshalb jeder zu den Tischen hetzte, um einen Platz für sich bzw. für die ganze Familie zu reservieren. Die nächste Schlacht war das Ergattern der Essensmarken, um dann letztendlich mittelmäßig, laufwarmes und auf kleine Mägen konzipiertes Essen vor den Latz gesetzt zu bekommen. Es war nicht meine erhöhte Erwartungshaltung für normalerweise delikates Weihnachtsessen, sondern leider wirklich die schlechte Zubereitung. Natürlich war es auch kein richtiges Restaurant, obwohl die Preise für indische Verhältnisse schon ein gehobeneres Restaurant vermuten ließen, sondern eine Selbstbedienungsessensausgabe, was den Vergleich zur Mensa, sowohl in Qualität, als auch in Quantität nicht abwägig erscheinen lässt. Wir aßen alle in sehr gestresster Atmosphäre und die Spannungen lösten sich erst, als wir Guitarre spielten und in kleiner Runde sangen. Pratap und Abishek, zwei indische Freunde, waren zu Besuch und brachten zum Glück ihre Klampfe mit.
Je später der Abend wurde, desto besser wurde die Stimmung. In der Nacht fuhren wir dach Fertile, einer sehr naturverbunden lebenden Kommune mitten im Wald. Es war ein schöner Ausklang des heiligen Abends am Feuer zu sitzen, Käsekuchen zu essen und am Feuer zu dösen.

Wednesday 12 December 2007

Ein Tag in Auroville

Letztes Wochenende war ich auf einer indischen Hochzeit in Chennai, auf die mich Pratap einlud. Es war ein sehr interessantes, tielweise aber langatmiges Erlebnis, das mein Bild von Indien weiter formte. Es waren nur Rena und ich zwischen einer Masse indischer Hochzeitsgäste, die sehr geduldig auf ihren Stühlen die Zeremonien verfolgten und eigentlich nur zu den Mahlzeiten sich zur „Kantine“ bewegten, um dort das Essen hineinzuschaufeln. Auf den langen Bänken waren Bananenblätter als Teller ausgelegt, auf denen die zahlreichen Kellner das Essen aus Eimern vor die Gäste schaufelten. Es war eine große Massenabfertigung der geladenen Gäste, wobei dies aber mit einer sehr großen Aufmerksamkeit geschah. Sobald das Bananenblatt sich dem Ende neigte, wurde sofort aufgefüllt. Es war erstaunlich zu beobachten wie schnell meine Tischnachbarn ihre Bananenblätter leerten und ich konnte verschiedene Handessenstechniken analysisieren. Einige schoben das Essen sehr elegant mit dem Daumen in den Mund, andere wiederrum aßen extrem schnell weil sie die ganze Hand in den Mund schoben. Alles in allem war das Essen geschmacklich sehr gut, aber die Essensatmosphäre ziemlich gestresst.
Die Heirat war zwischen einer Cousine und einem Cousin, was keine Besonderheit im Kreise der Brahmin ist, da diese nur einen Bruchteil der indischen Gesamtbevölkerung stellen. Mir wurde hier noch stärker bewusst, wie stark das Kastensystem noch in Indien präsent ist. Pratap hat mir von ein paar Hochzeiten erzählt, die nicht innerhalb der gleichen Kaste waren und welche Komplikationen dies mit sich bringt. Es ist immernoch inakzeptabel jemanden aus einer anderen Kaste zu heiraten. Der Druck kommt nicht nur aus eigenen Familie, sondern auch sehr stark von den entfernten Verwandten und Nachbarn. Als Folge brechen diese sogar den Kontakt zu Familie ab und erscheinen natürlich auch nicht zur Hochzeit. Fremdkastenhochzeiten sind dementsprechend sehr klein und weniger prunkvoll. Im Kontest der Bedeutung der Famlilie hier in Indien, ist es extrem hart für das Hochzeitspaar ohne den Familienrückhalt zu leben und zu überleben.
Die Hochzeit in Chennai gab mir weider ein bißchen Distanz um über Auroville und mich zu reflektieren. Solange ich in Auroville bin, lebe ich ein sehr schönes „Altagsleben“, das sehr stark im Kontrast zum Reisen und seinen Eindrücken steht. Ihr habt sicherlich schon bemerkt, dass ich hier weniger blogge. Dies liegt vor allem daran, dass es mir schwer fällt Zeit zum Schreiben zu finden, obwohl ich mich stationär an einem Ort befinde. Ich finde es selber setlsam, dass ich mehr Zeit zum Schreiben finde, wenn ich reise, aber nicht, wenn ich einen halbwegs geregelten Tagesablauf habe. Vielleicht schreibe ich euch mal, wie so ein typischer Auroville Tag bei mir aussieht.
Ich gewöhne mich langsam daran früh aufzustehen und morgens um 7 Uhr zum Yoga zu fahren. Nach 1 ½ Stunden Yoga fühle ich mich äußerst entspannt und bin positiv für den Tag gestimmt. Ein ausgedehntes Frühstück, dass dekadenterweise aus Schokoladencroissants und frischer Annanas besteht, versetzt dann auch meinen Gaumen in Freude. Mein „Arbeitstag“ beginnt so gegen 10 Uhr und bestand die letzten Tage aus Mauern, Kabel verlegen und Telefonieren. Ich mache eigentlich alle Arbeiten, die so anfallen und mir möglich sind zu lösen. Das Youth Center war in den letzten Wochen eine Baustelle, da das Haupthaus erneuert werden musste.
Ach ja, das spannendste war eigentlich die Reinigung des Wasserturms, da sich darin eine Rate verirrt hatte und krepiert ist, wei lsie nicht mehr rauskam. Wir kletterten also einen Baum hoch um auf den Wassertank zu kommen. In luftiger Höhe stiegen wir in den abartig stinkenden Tank und reinigten diesen von Innen. Nach dem Reinigen stand ich einer ätzenden Luftwolke, da wir den Tank desinfizieren mussten. Es war eien ausgesprochen befreiendes Gefühl wieder aus dem Tank zu steigen und frische Luft zu atmen.
Gegen 12:30 Uhr gibt es dann Mittag, dass ich meist in der Solarkitchen zu mir nehme. Wieder zurück im Youth Center werkel ich dann noch bis 5 Uhr rum, wobei wir hier mindestens zwei Teepauseneinlegen, um den Chai von der Amma (Haushälternin) genüsslich zu schlürfen.
An zwei Tagen der Woche fahre ich zur Schule um Capoeira zu unterrichten und trainiere am Abend noch in der regulären Klasse, die sehr anspruchsvoll geworden ist, da ein neuer Trainer gekommen ist.
Jeden Dienstag koche ich jetzt vietnamesisch für ca. 20 Personen, was schon eine Herausforderung ist, da es gut schmecken soll und mindestens die Kosten decken muss. Das Essen ist prinzipiell für alle offen und quasi kostenlos, jedoch bitten wir um Spenden, da es sonst nicht möglich ist, es dauerhaft anzubieten.
Bisher war Auroville sehr weitläufig und ruhig, jedoch bemerk ich seit einer Woche, dass der Verkehr zunimmt und wesentlich mehr fremde Gesichter mir begegnen. Die Monsunzeit ist hier fast vorbei und die Touristensaison startet. Dies wird ganz stark sichtbar an den Geschäften, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, und der Ansammlung von Rikschafahrern, die nach frischen Touristen lechsen. Ich verstehe sehr gut, warum Aurovillianer sehr reserviert sind, da ich eine gewisse Antipathi gegen das Touristenphänomen entwickle, obwohl ich hier erst 2 Monate bin.
Ist es ein menschlicher Charakterzug, wenn es diesen überhaupt gibt, sich gegen neue Impulse wehren zu wollen, im Streben seine kleine Welt vor Veränderung zu schützen? Für mich ist es ein aktiver Prozess und eine bewusste Entscheidung mich diesen Impulsen zu öffnen und mich wirklich darauf einzulassen.

Thursday 22 November 2007

Ent-Täuschung und Komödien

Ich bin jetzt wieder zurück in Auroville und warte auf den Beginn eines thailändischen Theaterstücks. Es ist ein interaktives Theater, bei dem das Publikum die Jury spielt und ein Urteil am Ende des Stückes fällen muss. Wenn ich über die vergangene Woche reflektiere, kommen mir sofort zwei Erinnerungen in den Kopf. Die Erste ist eine große Enttäuschung und die Zweite die pure Komik des Lebens.
In Tanjore bin ich abends mit Rena mit dem Fahrrad durch die Straßen gefahren, um die Stadt bei Nacht zu erfahren. Kurz vor unserer Rückfahrt standen wir noch am Palast von Tanjore und unterhielten uns sitzend auf unseren Fahrrädern. Es war ungefähr 9 Uhr abends und ein Motorrad kam mit seinem Scheinwerfer auf uns zu und hielt neben mir. Der Mann wirkte ein wenig aufgebracht und ich verstand eigentlich nur: „This land is for Indians only.“ (Dieses Land gehört allein den Indern.) Wir wollten keinen großen Konflikt und fuhren sofort weiter. Es lag aber sehr schwer in meinem Magen und beschäftigte mich den ganzen Abend und die Nacht über. Es ist ein bißchen naiv anzunehmen, dass es in Indien keinen Rassismus gibt, aber es dann wirklich zu erfahren, ist viel bedrückender als erwartet. Der ganze Vorfall ist hauptsächlich geschehen, weil es in der traditionellen indischen Kultur gesellschaftlich verboten ist, dass ein Mann und eine Frau sich allein draußen zusammen am Abend bewegen.
In den letzten Tagen in Tanjore ist Rena krank geworden und lag mit einer schweren Erkältung im Bett. Wir sind mit ihr zu einem Artzt gegangen, dessen Besuch wir uns eigentlich hätten sparen können. Es ging nur darum Klarheit zu erlangen, ob sie wirklich nur eine Erkältung hatte oder etwas Ernsthaftes. Der Besuch beim Artzt bewirkte aber eher das Gegenteil. Die Praxis befand sich in einem ungefähr 2 m² kleinen Teilstück eines Flurs, neben einem Treppenaufgang. Die Ärtztin war ein bißchen fülliger, bewaffnet mit einer großen Plastikstablampe und einem antikenBlutdruckmesser. Das Resultat der Untersuchung basierte auf Kommunkationsschwierigkeiten und mangelhafter Ausrüstung. Die Ärtztin maß den Blutdruck, horchte den Körper durch die Kleidung ab und leuchtete mir ihrer Keule in den Mund, um ihre Diagnose zu stellen. Es war ihr nicht möglich das Fieber zu messen, da sie kein Thermometer aus hygienischen Gründen besaß. Als dann noch eine Ratte den Boden entlang rannte, war ich sehr auf die Diagnose und das Rezept gespannt. Sie stellte letztendlich keine Diagnose oder zumindest sagte sie kein Wort zu Rena's Zustand und verschrieb ihr Hustensaft, Vitamine, Paracetamol und Antibiotika. Das war wahrscheinlich ihr Standardrezept, dass sie allen Patienten verschrieb. Im Endeffekt hatten wir schon alle Medikamente, weil wir das Antibiotika nicht kaufen wollten. Keine Klarheit, aber eine Erfahrung reicher.
Auf der Rückfahrt nach Auroville waren es nur Rena und ich, weil sie nicht Nachts fahren konnte. Wir fuhren also am frühen Nachmittag vor der Tamilfamilie los, die erst am Abend durch die Nacht fahren wollte. Wir mussten diesmal nur 1x umsteigen, jedoch war die Fahrt genauso lang, da wir knapp drei Stunden lang unseren Anschlussbus nach Pondicherry suchten. Alle Beschriftungen der Busse waren in Tamil und wir versuchten die Zeichen zu vergleichen, um den richtigen Bus zu finden. Dieses Unterfangen war total erfolglos, weil die Beschriftungen nicht immer dahin führten, wo der Bus tatsächlich hinfuhr. Wir fragten uns also durch und wurden an vier verschiedene Stellen geführt, warteten, um dann festzustellen, dass der Bus hier nicht vorbeikam.
Beim Warten passieren die kuriosesten Dinge, wie sie nur dasLben schreiben kann. Wir saßen auf dem Bürgersteig, als plötzlich eine etwas korpulentere Frau hinter Rena ihr Ladung lud und dann mit einem genüßlichen Rotzgeräusch über Rena's Kopf hinweg spuckte. Da sie anscheinend sehr viel Schleim produzierte, lud sie noch ein zweites Mal und spuckte präziseauf die gleiche Stelle. Ein wenig später parkte eine Kuh ihren Hintern vor unsere Gesichter und entlud ihre Blase exakt an der gleichen Stelle, auf die die Frau vorher gespuckt hatte. Ich wusste nicht, dass eine Kuhblase anscheinend die Größe eines Zehnliter Eimers hatte. Der Wasserfall aus ihrem Hintern ließ aber nur diesen Schluss zu.
Wieder einen kurzen Moment weiter und ein Mädchen stieg aus einem Bus, bewegte sich ein bisschen blaß auf uns zu und entleerte ihren Magen, dessen Inhalt aus Idli und Dal bestand, auf Schleim und Kuhpisse. Wir konnten uns kaum halten vor Lachen und vergessen war der Wartestress auf die Busse.
Letztendlich fanden wir einen Inder, der gut Englisch sprach und genau das gleiche Ziel hatte wie wir. Wir hängten uns also an ihn ran und fanden unseren Anschlussbus.
Fazit des Tages war also, dass man in Indien an Busbahnhöfen nicht ohne Hilfe auskommen kann, auch wenn man die Sprache ein wenig beherrscht, jedoch die aberwitzigsten Dinge erfahren kann, wenn man nur lange genug wartet.

Sunday 18 November 2007

Eine weitere Facette Indiens

Nach einem Tag mit der Tamilfamilie kristallisieren sich komische Eigenheiten heraus. Der Lebensmittelpunkt der Familie scheint der Fernseher zu sein, der fast 20 Stunden am Tag läuft. Obwohl ich kein Tamil verstehe, hinterlässt dieses konstante Bestrahlen, egal ob beim Essen oder bei der „Siesta“, ermüdende Spuren und versetzt mich in eine Art Teillethargie. Neben der Geräuschkulisse des Fernsehers fügten sich die Schreie ihres dreijährigen Sohnes und vereinzelte Knallkörpergeräusche von außen ein.
De traditionelle tamilische Familie ist ein sehr gastfreundliches Patriarchat, in dem die Positionen und Aufgaben von Mann, Frau und Gästen genau festgelegt zu sein scheinen. Ich fand es unangenehm noch im Bett meinen Chaitee am Morgen serviert zu bekommen und nicht lange auf das folgende Frühstück warten zu müssen. Alle mahlzeiten wurden nicht zusammen, sondern in einer Hierarchie eingenommen. Zuerst mussten wir Gäste, dann der Großvater, die Söhne und zuletzt die Großmutter , sowie die Töchter essen. Dies geschah nicht nur psychologisch hierarchisch, sondern auch zeitlich hierarchisch. Es war schon erschreckend mit wieviel Aufmerksamkeit uns der weibliche Teil der Familie bediente. Sogar beim Händewaschen nach dem Essen gossen sie das Wasser über meine Hände, sodass ich nicht ins Bad zu gehen brauchte.
Die Hauptaufgabe der Frauen scheint das Kochen zu sein, das bei solch einer Hingabe (Ich nehme hier an, dass durch die Tradition und die große Zeitspanne, ihre Pflicht zur Hingabe wird.) auch super lecker war. Die Mutter bereitete zum Mittag ein sehr delikates Hähnchencurry zu , das so intensiv lecker war, dass ich mich hätte hineinlegen können (Ist schon ein komisches Sprichwort, weil ich dann das Hähnchen wäre und eigentlich mich nicht selbst essen will.).Das Essen war nicht nur geschmacklich herausragend, sondern auch in er Quantität, die wahrscheinlich die sieben Magen einer Kuh sprengen würde, wenn diese Fleischfresser wäre.
Neben dem Kochen scheint die äußere Pflege und Erscheinung die zweite Priorität der tamilischen Frauen zu sein. Zu jeder Mahlzeit kleideten sich die Frauen in einem anderen Sari. An einem Tag wechselten sie ungefähr vier mal ihre Saris, was in sehr großem Kontrast zu der sehr häuslichen Aufmachung der Männer stand. Der Vater saß häufig mit freiem Oberkörper und Bierbauch (eigentlich nur ein dicker Bauch, weil er kein Bier trank) in dem Zimmer und döste vor sich hin.
Die Familie verbrachte eigentlich den ganzen Tag zu Hause und bewegte sich, wahrscheinlich nur unsertwegen am Nachmittag zu einer Tempelanlage. Es war eines der besterhaltenen Tempel, die ich bisher sah. Der Haupttempel wurde aus einem einzigen Felsen geschlagen und kunstvoll verziert. Der Tempel war nur 15min von dem Haus entfernt, aber der Familie schmerzten die Füße nach einem Spaziergang durch einen Park und die Tempelanlage, sodass sie nach Hause gingen und Rena und ich die Stadt auf eigene Faust erkundeten.
Es ist sehr schön zu spüren, wie gastfreundlich die indischen Familien sind, an deren Häusern wir vorbei liefen. Es lag sicherlich an der festlichen Stimmung, dass sie uns in Heim einluden und uns Chaitee, sowie Süßigkeiten anboten.
Am Abend gingen wir noch auf eine kleine Tempeltour in der Nähe des Hauses, da in Tanjore ungfähr 100 kleine Tempel verstreut in der Stadt stehen. Bei dieser Tempeldichte mussten wir nur 500m laufen, um vier Tempel zu besuchen. Leider war die Kommunikation mit der Mutter relativ schwierig, da sie einen begrenzten englischen Altagswortschatz hatte und ihr die Worte fehlten, um über die Geschichte und die Bedeutung der Tempel zu reden. Es war dennoch sehr interessant, da wir alle religiösen Handlungen mitmachten.

Tuesday 13 November 2007

Diwali Festival

Ich sollte jetzt eigentlich in Auroville sein, aber habe mich spontan entschieden Rena und eine Tamilfamilie nach Tanjore zu begleiten. Es war eine schwierige Entscheidung, weil ich zwischen meinen Pflichten in Auroville und meinem Drang nach Erfahrung und Freiheit abwägen musste. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich bin jetzt sehr froh, dass ich der Spontanität den Vorzug gegeben habe und mitgefahren bin, obwohl ich keine Wechselklamotten, geschweige denn eine Zahnbürste bei hatte.
Ich sitze auf einer Strohmatte, dessen Geruch mich stark an Vietnam erinnert. Wir sind hier 10 Menschen, die für die nächsten vier Tage auf 20 Quadratmeter leben werden. Die Familie wohnt gerade bei den Nachbarn gegenüber, da eine Mauer in ihrem Haus während des Monsoons einstürzte. In dem „Lebenszimmer“ schlafen also Großeltern, Vater, Mutter, Kind, Schwester, zwei Brüder, Rena und ich.
Es ist ein ganz anderes Erlebnis als der Besuch bei Roopa, da die Familie sehr arm ist, aber es ist überwältigend wie gastfreundlich die Famlie ist, obwohl sie so wenig besitzen. Ich habe das Gefühl, dass je weniger die Menschen besitzen, desto mehr möchten sie es mit mir teilen.
Die Fahrt nach Tanjore war ein Extremum meiner Transporterfahrungen in Indien. Wir standen ziemlich lange am Busbahnhof, weil der Tamilvater erst versuchte allein in die Busse zu steigen um vier Plätze zu reservieren. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen, da die Massen sofort losstürmten, sobald ein Bus ankam. Die aussteigenden Passagiere mussten sich auch durch die hineinstürmenden Massen kämpfen. Ich kam nicht drum rum, mir einen von diesen superkorrekten Führentnern vorzustellen, die mich in Berlin immer zurechtwiesen, wenn ich in eine S-Bahn stürmte. Dieser Busbahnhof wäre der perfekte Trainingsort für sie, um mehr Gelassenheit zu lernen.
Nachdem wir zu viert Teil der Einstiegsmasse wurden, fanden wir noch zwei Sitzplätze in dem ersten von vier Bussen, die wir noch zu nehmen hatten. In dem ersten Bus stand ich neben dem Vater und fühlte mich wie auf einer Achterbahnfahrt. Unser Busfahrer war entweder suizidgefährdet oder einfach nur verrückt, da er kompromißlos auf der Mitte der Strasse blieb, in dem Wissen, dass alle anderen ausweichen würden.
Auf der Fahrt durch die Nacht erfuhren wir allerhand von Gerüchen, bei denen sich auch schon unsere indischen Mitpassagiere die Nase zuhielten. Dieser Geruchscocktail wurde in der Mitter der Fahrt noch durch Hundscheißegeruch ergänzt, da die Familie ein Hundewelpen in einer Tüte mitnahm, das sich auch mal erleichtern musste. Auf dieser total verrückten Busfahrt leidete die Mutter am meisten, da ihr sehr übel wurde und sie sich übergeben musste. Zivilcourage scheint in Indien sehr klein zu sein, solange jemand indisch aussieht. In dem zweiten Bus mussten wir alle stehen und weil niemand der Mutter seinen Platz anbot, kauerte sie sich auf den Boden im Gang des Busses. Es war wirklich erstaunlich zu sehen, dass der junge Mann neben ihr es genau registrierte, ein schlechtes Gewissen hatte, aber dennoch nicht den menschlichen Schritt tat ihr den Sitz anzubieten.
Irgendwann gegen vier Uhr kamen wir völlig fertig in Tanjore an und konnten zum Glück noch ein wenig schlafen. Die Mutter ist gar nicht zu Bett gegangen, weil sie mit den Vorbereitungen für das Diwalifestival beginnen wollte. Sie hatte uns schon vorgewarnt, dass sie um vier Uhr Morgens mit ihrer Haarpflege anfangen würde.
Diwali ist das größte Festival in Indien, das auch in ganz Indien gefeiert wird. Es ist ein Familienfest und eine Mischung aus Weihnachten und Silvester. Es gibt ein paar Geschenke für die Kinder und es erklingt Feuerwerk den ganzen Tag. Die indische Feuerwerksmentalität ist der vietnamesischen sehr ähnlich und kommt der Geräuschkulisse eines Krieges sehr nah. Kriegsopfer würde an Diwali wohl der Schweiß von der Stirn tropfen. Ich habe das Gefühl, dass es hier keine Begrenzung für die Menge an Schwarzpulver gibt, die in einen Knallkörper gefüllt werden darf. Ihr könnt euch sicherlich vorstellen was passiert, wenn Feuerwerksmanie auf sprengstoffartige Knaller trifft. Es ist auch ein wenig bedenklich wie gedankenlos sie mit den Knallern umgehen, da hauptsächlich Kinder, ohne ihre erwachsenen Pendants, ihrem Spieltrieb mit dem Sprengstoff fröhnen.

Tuesday 6 November 2007

Glueckliche Unfaelle

Diesen Tag koennte ich wohl meinen Unfalltag taufen und ich fuehle mich trotzdem oder vielleicht gerade deswegen sehr wohl. Wir hatten einen schoenen, langsamen Start in den Tag und haben Plaene weiterzufahren verworfen. Am Anfang der Reise hat mir Rajit einen Ausdruck mit der Agenda unseres Trips in die Hand gedrueckt, die sehr detailiert und gepackt war. Zum Glueck fuehlen sie sich hier genauso wohl wie ich und liessen sich leicht umstimmen laenger in Hampi zu verweilen.
Nach dem ausgedehnten Fruehstueck nahmen wir das Boot zur anderen Seite und gingen zum Gobi Fahrradverleih (GOBI heisst eigentlich Blumenkohl). Die Strassen steckten in den Festivalvorbereitungen fuer die Utsava, die am Nachmittag began.
Die Fahrraeder waren sehr bescheiden und hatten superharte Sattel, die mir sofort die Schmerzen vom Hardcorefahrradfahren in Erinnerung riefen. Zum Glueck sind die Jungs nur Photographiefreaks und keine Fahrradenthusiasten. Wir fuhren also gemaechlich unter der heissen Sonne aus Hampi, um den Untergrundwasserfall zu finden. Riesige Steinformationen wechselten sich mit Bananenplantagen ab, bis wir in der Naehe des Wasserfals zu Fuss weitergingen. Wir erreichten dann eine Minital und ueberquerten den Fluss springend ueber Felsen im Wasser. Es gab zahlreiche Stellen, an denen der Fluss in dem Fels verschwand und Wasserfallgeraeusche emporstiegen, aber nach einer Stunde gaben wir die Suche auf und genossen die schoene Landschaft im Schatten bei einer leichten Brise.
Bei der Flussueberquerrung bin ich auf einem Felsen ausgerutscht und halb in den Fluss gefallen. Es war halb so wild, da ich mich abfangen konnte und mein Rucksack trocken geblieben ist. Nach 10 min Trocknung auf dem Felsen waren die Sachen wieder wie neu.
Das zweite Erlebnis, dass mein Adrenalinspiegel steigen liess, fing ganz harmlos an. Als wir das Tal mit seinem fluss, den Felsen, den Graesern und den Baeumen photographierten, erblickte ich zwei weissfarbene Bullen, die in wunderbarem Kontrast zum blauen Himmel, zum gruen der Vegetation und zum braunder Felsen standen. Ich naeherte mich den Bullen und schoss ein paar Distanzschuesse, jedoch manifestierte sich ein Motiv in meinem Kopf, das es erforderte, dass ich mich einem Bullen stark naeherte. Ich bewegte mich also auf den Bullen zu, flankiert von Pratap, Sandeep und Rajit, und konnte mich auf eien halben Meter naehern. An diesem Tag trug ich ein rotes Kopftuch, dass mir sofort wieder ins Bewusstsein schoss, als 500kg tierische Masse sich abrupt mit Zielstrebigkeit auf mich zu bewegten. Ich bin bestimmt 3m rueckwaerts gesprungen und war auch bereit in den Fluss zu springen. Zum Glueck hierlt der Bulle vorher an und hinterliess nur einen positiven Schockzustan in mir.
Wieder zurueck in Hampi kamen wir gerade rechtzeitig, um dem ersten Festumzug beizuwohnen. Maenner in farbenpraechtigen Kostuemen , in weissen Geweandern und ein orangefarben gekleideter Mann liefen vor einem Elephanten an der Spitze des Umzuges, begleitet von Fanfaren und Trommeln. Sie repraesentierten die Krieger, die Geistlichen und einen hohen Priester (Sadhu).
Nach diesem Feuerwerk von Motiven fuhren wir zurueck auf die andere Seite, um uns fuer den Abend frisch zu machen. Auf der Ueberfahrt verkeilte sich ein Zehnagel von mir in den Schuh meines Vordermannes und wurde zur Haelfte aus dem Nagelbett ausgehebelt. Dies war dann auch der letzte und schmerzhaftestes Unfall des Tages.
Nichtsdestotrotz bin ich am Abend ruebergehumpelt und habe meine erste indisch politische Rede verfolgt. Es war eine Geduldsprobe, die nicht nur ich, sondern auch zahlreiche Inder neben mir nicht bestanden . Wir gingen lieber durch die Strassen und genossen die schoene Atmosphaere.
Am spaeten Abend zeigten sie traditionellen indischen Tanz, begleitet von Livemusik. Es war eine Art Mix aus Theater und Tanz, der wunderbar ausdrucksstark war und auch ohne Worte zu verstehen war.

Friday 2 November 2007

Kuenstliche Wahrnehmung

Ich liege gerade auf meiner Haengematte im Garten des Hostels, lausche dem Rauschen der Blaetter und Blicke ueber den Fluss auf dei Tempelruinen auf der anderen Seite von Hampi. Die Temperaturen sind angenehm warm und laden mich zum Doesen ein.
Hampi ist eine alte Tempelstadt, die einst so fantastisch wie Rom gewesen sein musste. Es saeumen sich zahlreiche Tempel und riesige, behauene Steine entlang des Flussufers, die eine spirituelle Atmosphaere verspruehen. Zahlreiche Sadhus in ihren organgefarbenen Trachten laufen durch die Tempelstadt oder sitzen in den Tempelhoehlen am Fluss.
Neben diesem schoenen Flair hat sich Hampi leider extrem auf den Tourismus eingestellt. Dies zeit sich in den vielen Geschaeften mit pseudo indischen Produkten, westlichen Restaurants und geldfokussierten Sadhus, die sehr adrett gekleidet sind.
Ich bin hier mit absoluten Photographiefreaks unterwegs, die jeden Moment ein neues Motiv suchen und ablichten wollen. Pratap, Sandeep und Rajit arbeiten alle drei in Bangalore und nutzen ihre Kurztrips, um ihrer Leidenschaft zu froehnen. Wir werden hier oft gefragt, ob wir von der Presse waeren und das Festival morgen dokumentieren wollen. Es muss schon sehr witzig aussehen, wenn drei Inder und ein Vietnamese mit ihren Spiegelreflexkameras durch die Strassen ziehen.
Teilweise ist es mir zuviel staendig zu photographieren, da ich selbst anders durch die Strassen gehe und die Welt betrachte. Es ist eine regelrechte Jagd nach einem Motiv und weniger das sich Einlassen auf einen Ort und seine Menschen.
Das Hostel liegt auf der gegenueberliegenden Seite von Hampi und der einzige Weg ueber den Fluss ist das Boot oder ein ein 30km langer Umweg mit dem Auto. Die letzte Ueberfahrt ist um 6 Uhr Abends und wir entschieden uns, den Umweg zu nehmen, um mehr von Hampi zu sehen.
Es ist sehr angenehm mit den Jungs hier unterwegs zu sein, da ich mich nicht mehr mit den Haendlern rumschlagen muss. In einem Tempel sprach mich sogar eine Inderin an, weil sie dachte, dass ich aus Nordindien stamme und etwas wie Architektur oder Archaeologie studiere. Das ist bemerkenswert, da Inderinnen sehr scheu sind und sich schon unwohl fuehlen, wenn ich sie nach dem Weg frage.
Nach dem Abendessen wollte ich eigentlich nur noch ins Bett fallen, aber die Jungs waren noch lange nicht fertig. Sie haben sich im vornherein eine Genehmigung fuer die Nutzung eines Stativs geholt, um in der Nacht photographieren zu koennen.
Wir sassen dann also zu viert auf einem Tempelberg und warteten auf die Langzeitbelichtungen. Ein Photo wurde etwa 30min belichtet und dies liess uns viel Zeit fuer Unterhaltungen. Es war eine sehr schoene Atmosphaere unter dem Sternenhimmel zu sitzen, die Silhuetten der Tempelruinen zu sehen und den Grillen zu lauschen.
Auf der zweistuendigen Rueckfahrt zum Hostel hatten sie schon geplant am naechsten Morgen den Sonnenaufgang einzufangen. Ich wollte nur noch schlafen und suggerierte ihnen, dass wir uns zum Fruehstueck treffen werden, wenn sie zurueckaemen.

Modernes und Sureales

Nach einer sehr geruhsamen Nacht bin ich heute mit Roopa nach Nordbangalore gefahren, dass wesentlich ueberfuellter und noch westlicher war als Suedbangalore gestern. Im Endeffekt hat Roopa mir drei Orte zeigen koennen, da ich um sieben mit ihren Freunden verabredet war, um nach Hampi zu fahren.
Die meiste Zeit sassen wir in Rikschas und wurden mit Autoabgasen vollgempumpt. Ich glaube, dass Selbstmordopfer, die den Freitod durch Abgase suchen, wenig Erfolg haetten, da ihr Organismus sich an die horrenden Mengen in Bangalore gewoehnt haette. Es ist wirklich
ertaunlich, dass so eine gruene Stadt wie Bangalore in einer Wolke aus Abgasen untergeht. Bei einer Bevoelkerung von acht Millionen Menschen (stark steigend), dass der Bevoelkerung von London mit seinem ausgebauten Verkehrssystem entspricht, auf einer wesentlich kleineren Flaeche muss das Verkehrssystem kollabieren.
Wir fuhren zunaechst zum Bahnhof, um mein Rueckticket nach Chennai fuer Sonntag zu kaufen und Roopa war erstaunt, wieviel Privilegien ich als Tourist in Indien geniesse. In jedem groesseren Bahnhof gibt es einen Touristenschalter, an dem Touristen schneller bedient werden und eigentlich immer Tickets bekommen, da ein kleines Kontigent an Sitzen staendig fuer Touristen reserviert wird.
Unsere naechste Station war die MG Road (Mahatma Ghandi Strasse), dem Kudamm von Bangalore. Es war ziemlich schwierig eine Rikscha dahin zur Mittagszeit zu bekommen, da viele Rikschafahrer einfach keine Lust hatten. Ich habe eigentlich in keiner Stadt bisher erlebt, dass ein Rikschafahrer nicht fahren wollte, aber hier scheinen sie genug Kunden zu haben.
Nach einer einstuendigen Fahrt durch den Smog war ich in einer anderen Welt. Moderne, klimatisierte Geschaefte und extrem saubere Strassen liessen mich fuer kurze Zeit nach London reisen. Ich fuehlte mich wie in einem indischen Viertel in London mit seinen schicken Geschaeften. Die Geschaefte sahn nicht nur suendhaft teuer aus, sondern hatten auch das gleiche Preisniveau wie London. London ist schon auesserst teuer, aber im Vergleich mit dem Lohnniveau hier, ist es schier unglaublich.
Wir fuhren dann eine Stunde weiter in der Rikscha zum ISKCON (International Society for Krishna Consciousness), einem hypermodernen Tempel fuer die Foerderung indischer Kultur und Hinduismus. Von Aussen war der Tempel eine Mischung aus traditioneller Tempelarchitektur und moderner Hochhausglasarchitektur. Innen zeichnete sich ein freizeitparkartiges Bild, bestehend aus massiven Garderoben, Umzaeunungen und vielen Verkaufsstaenden. Die Haupthalle war laut, prunkvoll geschmueckt und glich eher einem Konsumtempel, als einem Ort der Ruhe und Meditation. Es war auch sehr befremdlich innerhalb des Tempels Geschaefte und ein Krishnakino zu sehen. Nach diesem Erlebnis ist es wirklich kein Wunder, dass Hare Krishna als Sekte eingestuft wird, da sie offenkundig den weltlichen Guetern froehnen und Spiritualitaet als Mittel benutzen.
Nach diesem Kulturschock der anderen Art, versuchten wir eine Rikscha anzuhalten, um Pratap (ein Freund von Roopa) in seinem Buero abzuholen. Der siebte Rikschafahrer war dann willig uns anderthalb Stunden durch die Stadt zu kurven. Pratap arbeitet als technischer Schreiber fuer eine IT-Firma, die ihren Sitz in einem hypermodernen Wolkenkratzer hat. Es war eine sehr sterile und auf Produktivitaet getrimmte Arbeitsumgebung, in der ich auf keinen Fall arbeiten wuerde. Dort angekommen fuhren wir gemeinsam zu einem Freund von Pratap, um dort zu Abend zu essen. Viele Gewuerze, starke Sossen und frisch gebackenes Chapati sind wahre Gaumenfreunden.
Gesaettigt und zufrieden machten wir uns mit dem Auto auf den Weg nach Hampi. Wir fuhren gegen 22 Uhr los und hielten nach ca. drei Stunden an einem herunergekommenen Motel, um dort unser Nachtlager aufzuschlagen. Es war ein altes Motel mit zahlreichen Raeumen und verspruehte eine dunkle Atmosphaere. Ich fuehlte mich wie in einem Tarentinostreifen mit drei Indern in meinem Raum, die ich kaum kannte, Zigarettenstummel verteilt auf dem Boden und einem tropfenden Wasserhahn. Jeden Moment koennte der Kellner aus "Four Rooms" reinkomen und die Realitaet sich komplett drehen lassen.
Leider drehten sich nur surrealistische Erlebnisse in meinen Traeumen ab und wir machten uns um fuenf Uhr Morgens wieder auf den Weg.

Der Westen in Indien

Bangalore ist eine sehr cosmopolitische Stadt, die auf mich einen stark verwestlichten Eindruck hinterlaesst. Es ist eine sehr gruene Stadt mit breiten Strassen und Alleen. Als ich heute zu Roopa nach Hause fuhr, kam ich in einem sehr sauberen Wohnviertel an. Es stehen kleine Einfamilienhaeuser dicht an dicht angeordnet in einem Gitternetzmuster.
Roopa und ihre Familie waren ueberaus gastfreundlich und haben mich sofort mit einem suedindischen Fruehstueck empfangen.
Nachdem ihre Mutter und ihr Bruder zur Arbeit fuhren, sind Roopa und ich los, um Suedbangalore zu erkunden. Es war eine ganz andere Art Indien kennenzulernen, da Roopa mir ihr Altagsleben zeigte. Wir fuhren zu kleinen Maerkten und Strassen, in denen sie mir zu jedem Geschaeft etwas erzaehlte. Ich wurde regelrecht mit schoenen, witzigen und interessanten Aspekten ihres Lebens bombardiert und war geistig nach der Haelfte des Tages schon voellig fertig.
Roopa gehoert der Kaste der Brahmin (hoechste Kaste) an und bewegt sich somit in der hoeheren Mittelschicht. Ihre Familie hat Verbindungen zu halb Bangalore und als wir durch die Strassen liefen, zeigte sie auf Gebaeude, die von ihrem Cousin oder einem naeheren Verwandten entworfen wurden.
Wir unterhielten uns viel ueber England und ueber Indien. Beim Thema England teilten wir unsere Ansichten fast uebereinstimmend, aber beim Thema Indien zeigte sich eine ziemlich radikale Sichtweise ihrerseits. Roopa ist ein absolut liebenswerter, toleranter und mitfuehlender Mensch, aber da sie ihre Grundfeste durch den Islam und das Christentum gefaehrdet sieht, entwickelt sie eine regelrechte Wut gegen die Missionierungsaktivitaeten anderer Religionen.
Dies widerspricht sehr dem Bild vom toleranten Hinduismus, dass ich bisher entwickelt hatte.
Ein sehr interessantes, viel lustigeres und weniger geladenes Gespraechsthema waren ihre Heiratsbestrebungen. Sie wird theoretisch von ihren Eltern verheiratet, aber sucht sich im Endeffekt ihren Partner selbst aus. Es war sehr witzig, als sie mir die Heiratswebsite zeigte, die eigentlich mehr einer Singleboerse mit hoeheren Ambitionen entsprach. Neben dem Photo, Angaben zur Physiologie und einer charakterlichen Kurzbeschreibung, wurden auch Kriterien wie die Kaste angegeben, da Roopa z.B. nicht jemanden aus ihrer Unterkaste heiraten kann, da dieser theoretisch ihr Bruder sein koennte. Sie erzaehlte mir noch von einigen Treffen mit den Anwaertern und es waren dann fast keine grossen Unterschiede mehr zwischen der Verzweiflung in Europa einen passenden Partner und in Indien einen Partner zu finden.
Am Abend ass ich mit ihrer Familie ein typisch suedindisches Abendessen und wir sprachen noch ein bisschen mehr ueber ihre Heirat im Kreise der Familie. Die Ansichten der Mutter und Oma gehen da sehr weit auseinander. Der Oma macht es sehr viel Spass mit Roopa zu suchen, jedoch findet sie nur Barttraeger passend, die Roopa gar nicht ausstehen kann. Ihr Credo ist, dass wenn der Mann keinen Bart traegt, dann muss die Frau zwangslaeufig einen Bart tragen, da in einer Familie immer ein Barttraeger sein muss. Ist doch eine sehr schluessige und umwerfende Logik fuer die Partnerfindung ;-)! Auf jedenfall war es herrlich witzig mit ihnen darueber zu plauschen.
Nach dem sehr leckeren Essen spielte Roopa mir noch traditionelle indische Musik vor, die mich langsam in den Schlaf trug.

Monday 29 October 2007

Perspektivischer Wechsel

Ich sitze jetzt im Bahnhof "Chennai Central" und bin auf dem nach Bangalore, um Roopa zu besuchen. Es ist das erste Mal, dass ich mich von den Menschenmassen erschlagen fuehle, seit ich in Indien bin. Der Kontrast zwischen Chennai und Pondicherry, aber vor allem zu Auroville, ist extrem stark. Pondicherry wurde von den Franzosen entworfen und versprueht eine sehr europaeische Atmosphaere. Die Strassen sind breit, nicht verwinkelt und der Verkehr ist relativ gesittet. Hier in Chennai fuehle ich wieder, dass ich in Indien mit seinen Superlativen bin. Auroville empfinde ich eher als eine paradisische Insel mit ihrer ganz eigen Kultur. Es erstaunt mich und es macht mich nachdenklich, dass ich in Auroville so gut wie keinen Kontakt zu Tamil (Inder aus der Region "Tamil Nadu") habe. Ausser meinen Capoeira Schuelern und ein paar Haushaeltern in den Gebaeuden von Auroville, treffe ich fast ausschliesslich westlich gepraegte Menschen.
Mit Distanz betrachtet, ist Auroville eine Enklave, die noch sehr viel zu tun hat, um ihre Ziele zu erreichen. Ich denke, dass es sehr fragwuerdig ist, warum jedes Haus in Auroville eine Haushaelterin hat (bisher hatten alle Haeuser, die ich gesehen habe mindestens eine Bedienende Person), die auch ziemlich schlecht bezahlt wird. Sie schreiben, dass sie den Menschen aus der Region helfen, da sie Arbeit und Einkommen generieren, aber aus moralischer Sicht empfinde ich es heuchlerisch, wenn sie die Einheit der Menschen proklamieren und dennoch billige Arbeitskraefte ausnutzen, um es bequemer zu haben. Eine Haushaelterin verdient zwischen 1500 und 2000Rs pro Monat, was im Vergleich zu einem Aurovillianer, der 5000Rs pro Monat verdient und am Existenzminimum lebt, schon sehr wenig ist. Ich verbrauche knapp 15000Rs pro Monat hier in Auroville und gebe schon viel weniger aus, als wenn Reisen wuerde.
Wenn ich weiter ueber Auroville reflektiere, komme ich mehr und mehr zu dem Schluss, dass es wirklich eine kleine eigene Welt unter einer Glaskuppel ist. Als ich z.B. in dem Zug von Pondicherry nach Chennai sass, kam zum ersten Mal seit zehn Tagen wieder ein Bettler auf mich zu, was mich stark iritierte.
Neben diesen kritischen Gedanken, bin ich aber sehr zufrieden wieder zu Reisen und neue Eindruecke aufzusaugen. Nach Auroville werde ich in einer Woche wieder zurueckkehren und schauen, ob es immernoch die gleiche Magie versprueht wie am Anfang.
Es hatte in den letzten Tagen auch extrem viel gregnet und heute war der erste Tag mit wundervollem Sonnenschein und blauem Himmel. Mit der vorbeiziehenden Landschaft aus meinem Zugfenster, spuerte ich auch die Reiselust wieder in mir wachsen.

Wednesday 24 October 2007

Neue Herausforderungen

Ich liege jetzt auf meiner Matratze im Baumhaus unter einem Moskitonetz, dass, nachdem ich zehntausend Löscher gestopft habe, hoffentlich dicht ist. Es ist lustig zu beobachten, wie die kleinen Biester außen an meinem Netz sitzen und hoffen, dass ich mich im Schlaf an das Netz lehne. Ich habe auch zwei Lecks in meinem Dach, durch das ein bißchen Regenwasser tropft, aber es ist nicht besonders viel. Ich habe noch nicht den Elan gefunden die Löscher zu stopfen und benutze einfach zwei Eimer zum auffangen des Wassers.
Ich war heute bei der Registrierungs- und Finanzstelle von Auroville und habe meinen Aufenthalt hier bis Anfang Januar verlängert. Ich bin mir sicher, dass ich es nicht bereuen werde hier länger zu bleiben. Es wird mir immer klarer, dass ich meinem Gefühl folgen muss, egal welche Risiken oder Veränderungen es birgt. In Thailand wollte ich eigentlich einen Tauchschein (ca. einen Monat dauer) machen , aber es fühlt sich jetzt total nichtig an.
Als ich zum Registrierungsbüro lief, kam ich am Radio von Auroville vorbei und las den Aushang für offene Positionen als Voluntariat. Da die FM Frequenzen von der indischen Regierung kontrolliert und nur sehr limitiert vergeben werden, wird das Radio fast ausschliesslich als Internetradio betrieben. Technologisch will sich das Radio weiterentwickeln und daher brauchen sie Hilfe technischer wie auch redaktioneller Art. Ich habe tagsüber relativ viel Zeit und hab mich auch gleich in ihrem Büro gemeldet, um mich vorzustellen. Jetzt bin ich also Schaffender im Auroradio und ihr werdet vielleicht bald meine ersten Gehversuche auf diesem Gebiet im Internet verfolgen können. Ich bin schon sehr gespannt, zu erfahren wie der Radiojournalismus funktioniert.
Sportlich bzw. konditionstechnisch bewege ich mich gerade in meinem Grenzbereich. Gestern bin ich z.B. auf einer Radtour um einen See in der Nähe vom Auroville mitgefahren. Sie haben mich vorher drei mal gefragt, ob ich wirklich fit sei und ich bejahte, obwohl ich kein Frühstück gegessen hatte. Es stellte sich heraus, dass sie „Hardcorecycling“ betreiben und mit einem Affenzahn durch Wald und Wiesen rasten. Ich schwitzte wie irre und war fast tot als wir wieder zurück waren. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, das mein Fahrrad nicht das Allerbeste war und mein Arsch immernoch schmerzt. Zu diesen Konditionsspitzen trainiere ich zweimal pro Tag Capoeira (1x unterrichten und 1x reguläres Training).
Ich bin sehr erstaunt, wie schnell ich mir hier eine Art Alltag aufgebaut habe, ohne viel dafür zu tun. Es passiert alles sehr natürlich und ich frage mich, wie es sein wird, wenn ich in fünf Tagen wieder auf Reisen gehe um Roopa (hat auch in Manchester studiert) in Bangalore zu besuchen.

Monday 22 October 2007

Zurück zu den Wurzeln um vorwärts zu gehen

Es ist unglaublich wie schnell ich in die Kommune hier integriert wurde. Ich lebe jetzt kostenlos in einem Baumhaus auf dem Gelände des „Youth Center“ und helfe bei ihren Projekten mit. Wir sind gerade dabei ein Dach für das Haupthaus zu errichten und verwenden dafür nur natürliche Baumaterialien, ok vielleicht nicht ganz, weil wir ein paar Nägel und ein bisschen Draht benutzen, aber der Rest kommt aus dem Wald hier. Es macht sehr viel Spaß handwerklich tätig u sein und die Gruppendynamik ist sehr gut. Nebenbei habe ich heute auch meinen ersten Baum in luftiger Höhe gestutzt. Ich bin also auf den Baum geklettert, habe mich am Anfang ein wenig unsicher gefühlt, aber das verging ganz schnell und als der abgefallen ist, bin ich wie auf einem Katapult nach oben geschossen. Es ist nichts passiert, da ich das Knacken gehört hatte und mir einen festen halt suchte. Es ist ziemlich krass zu spüren, wieviel Kontakt ich eigentlich schon zur Natur verloren hatte. Erst jetzt spüre ich wieder die Selbstverständlichkeit, die ich als Kind hatte, alles zu probieren, wie z.B. das Baumklettern und das Budenbauen (in einer etwas größeren Dimension).
Das Unterrichten des Capoeiras läuft sehr gut, solange die Schüler auftauchen. Ich bemerke wieder, dass Inder eigentlich niemals nein sagen, egal was man sie fragt. Es war eine „Putz-Puja“ bei der alle Werkzeuge geweiht werden und ich fragte meine Schüler, ob sie wirklich kommen wollen, alle antworteten ja und im Endeffekt kamen 2 nach einer Stunde, aber da war ich schon auf dem Heimweg. An Wochentagen ist es meine Hauptbeschäftigung für den Nachmittag.
Auroville ist so groß, dass ich den Vormittag und Mittag zum erkunden aller Gebäude und Einrichtungen nutze.
Am Abend war dann eine große Pizzarunde mit fast allen jungen Aurovillern und Gästen wie mich. Die Pizzen waren sehr lecker und die Gespräche verliefen sich ein wenig in dem Fragen nach Namen, Herkunft und Sprachen. Ich werde das bald ablegen dannach zu fragen, weil es ein Bild von den Menschen zeichnet, dass ich eigentlich gar nicht im Vornherein haben möchte. Ich glaube, dass das Bewusstsein und vor allem das Geühl wirklich in einer einzigen Welt zusammen zu leben, hier sehr stark in mir gefördert wird. Die Frage nach Identität bezogen auf die Nationalität löst sich somit von selbst.

Thursday 18 October 2007

Yoga, Capoeira, Monsun und die junge Kommune

Ich war heute bei einer Ashtanga Yoga Klasse, die ziemlich fordernd war. Beim Ashtanga Yoga werden physischen Übungen (Asanas) in einer Sequenz ausgeführt und mit einer Atemtechnik kombiniert. Ich habe wie irre geschwitzt, obwohl wir uns kaum bewegt hatten. Die Übungen waren sehr anstrengend, aber weniger meditativ und ich fühlte mich weniger ausgelassen als beim Trika Yoga in Rishikesh. Hinzu kam noch, dass eine Einheit 560Rs (11€) kostete, was für westliche Verhältnisse schon teuer ist und mich daher nicht gerade zum Wiederkehren animierte.
Als ich vom Yoga zurückkam setzte ein massiver Monsunregen ein, der eigentlich den ganzen Tag andauerte. Es schüttete aus allen Kübeln und vor mir baute sich eine Wand aus Regen auf. Ab und zu sind kurze Pausen, in denen man versuchen kann trocken von einem Ort zum anderen zu kommen. Gegen Mittag versuchte ich also in diesem kleinen Zeitfenster trocken zur Solarküche zu kommen, aber im Endeffekt wäre es besser gewesen nackt zu fahren und sich die Klamotten dann wieder anzuziehen. Die Fahrt im warmen Monsunregen war wirklich schön, jedoch hatte ich Angst, dass mein Motorrad versagen würde, da sich ganz schnell riesige und tiefe Pfützen bildeten.
Pitsch nass kam ich also an und genoss aber dann mein leckeres südindisches Mittagessen bestehend aus Idli, Reis, Dosas und verschiedene Currysoßen. Idli ist eine art Reiskuchen, den man sehr gut in die Soßen dippen kann. Von der Konsistenz könnt ihr euch gepressten Couscous vorstellen. Dosa ist eine Art Eierkuchen, der aber hauchdünn und knusprig zusammengerollt ist.
Ich habe mich während des Essens wieder mit einigen älteren Aurovillern unterhalten, aber gewinne dem fast nichts mehr ab, da sie ziemlich verschlossen reagieren, wenn ich kritische Fragen stelle, um das Leben hier besser zu verstehen. Ist halt immernoch ein experimentelles Dorf.
Am Nachmittag traf ich aber zum ersten Mal auf eine junge Aurovillerin (d.h. um die 20/30), die hier geboren und aufgewachsen ist. Sie hat in Holland aber dann studiert und strahlte eine unglaubliche Offenheit aus. Sie spricht 4 sprachen Perfekt (Englisch, Französisch, Tamil und Holländisch) nur weil sie hier im Auroville aufgewachsen ist. Sie musste nichts dafür tun, weil ihre Umwelt es von ihr als Kind forderte. Es ist sehr krass, wie stark wir unsere Kinder und uns selbst begrenzen, obwohl wir eigentlich fähig zu viel mehr fähig sind.
Von diesem sehr interessanten Treffen bin ich dann zur Schule gerast, um den 15 bis 25 jährigen Schülern der Abendschule Capoeira beizubringen. Ich musste erst bei der Direktorin vorsprechen und bekam ihr Einverständnis, nachdem ich ihr fasat mein ganzes Leben erzählt hatte. Die Klasse bestand leider nur aus 9 Jungen/Männern, die ziemlich schnell lernten. Die Inderinnen trauten sich nicht mitzumachen, obwohl Capoeira sowohl Tanz, als auch Gesang enthält. Es hat aber dennoch sehr viel Spaß gemacht ihnen alles mit Händen und Füßen zu erklären. Ich habe immeronch versucht in Englisch zu erklären, aber am Ende habe ich alles ganz langsam vorgemacht und ise haben durch Nachahmung, sowie vielfache Widerholung gelernt. Nach 2 ½ Stunden waren sie und ich ziemlich fertig, aber glücklich. Ich konnte die Begeisterung in ihren Gesichtern lesen, was mich mit Freude erfüllte. Es ist so fantastisch wieviel ich von ihnen emotional zurückbekomme. Sie wollen alle unbedingt weitermachen und so werde ich, solange ich hier bin jeden Tag sie unterrichten und mit ihnen Capoeira spielen.
Am Abend war ich noch beim „Youth Centre“, das wie ein Abenteuerspielplatz mit Küche aussieht. Es war ein sehr schönes Jugendcampflair zu spüren und Shauna (Aurovillerin) und ein Schweizer (lebt hier schon seit 4 Jahren) übten mit den Poi (Ketten mit Feuerbällen an den Enden), was unglaublich schön in der Dunkelheit zu betrachten ist. Es war ein ziemlich deutsches „Sit in“ und als Shauna und der Schweizer weg waren, verzog ich mich auch schnell. Einige Deutsche machen ihren Zivi hier. Ich mochte die Atmosphäre nicht mehr besonders, da sie unglaublich affektiert und pubertär waren und sich mit nichts auseinander zu setzen schienen. Eigentlich die perfekten Kandidaten für die Bundeswehr.

Wednesday 17 October 2007

Auroville oder die Hoffnung der Menschheit

Heute Morgen habei ch leider die Yogaklasse verpasst und bin nach Pondicherry mit meinem gemieteten Morrorad (kostet nur 90Rs pro Tag) gefahren. Die verschiedenen Gebäude und Anlagen vom Auroville liegen soweit auseinander, dass ich die ersten Tage alles mit dem Motorrad erkunden will.
Ich bin nach Pondicherry hauptsächlich gefahren, weil es keine Tankstelle im Auroville gibt und bei dieser Gelegenheit habe ich mir die Stadt ein bißchen angeschaut. Es ist eine schöne kleine Küstenstadt mit einem Mix aus französischer und indischer Architektur, die eine ziemnlich schöne Atmosphäre ausstrahlt. Es war ein bißchen gewöhnungsbedürftig durch Straßen mit französischen Straßennamen zu fahren und das Treiben einer indischen Kleinstadt zu beobachten. Auch das Fahren mit dem Motorrad durch die Stadt hat nochmal eine andere Qualität als das Fahren mit dem Fahrrad. Schon allein wegen der höheren Geschwindigkeit muss ich mich sehr stark konzentrieren, aber auch wegen dem rabiaten Fahrstil der Inder.
Nach dem Tanken fuhr ich zum Strand, an dem das Hotel de Ville (ja, sehr französisch) und eine große Gandhistatue sich befinden. Ich saß also jetzt zum ersten Mal am indischen Ozean und genoß den Wind im Schatten eines Baumes (Es war keine Palme und wenn hätte ich geguckt ob oben Kokusnüsse hängen, die mich erschlagen wollen ;-)), da die Vormittagssonne schon extrem heiß war. Die Menschen hier sind soweit von der Mentalität nicht viel anders als die Inder, die ich in Mittelindien getroffen habe, jedoch unterscheiden sie sich im Aussehn sehr stark. Sie sind extrem gebräunt, wenn nicht schon schwarz, und ich wirke neben ihnen weiß, obwohl ich in meinem Leben noch nie so Dunkel war.
Ich konnte mit dem Strand an sich nicht so viel anfangen, weil ich nicht baden wollte und Sonnen wäre glatter Selbstmord gewesen. Also machte ich mich auf den Weg zum Aurobindo Ashram, der Wirkungsstätte von Sri Auronbindo und der „The Mother“ (der Mutter), den geistigen Führern auf dessen Philosophie auch das Auroville gegründet wurde. Sri Aurobindo`s Philosophie verbindet westliches Denken mit der Spiritualität Indiens und fokussiert hierbei sowohl das göttliche in der Seele, als auch die untrennbare Verbindung zum Körper. Es ist sehr schwierig seine Philosophie hier zusammen zu fassen, vor allem da ich bisher nur eine Einführung gelesen habe.
Nach dem Ashram fuhr ich zurück zum Auroville, um ein paar Auroviller beim Mittagessen inder Solarküche kennenzulernen. Ist ganz ähnlich dem Mensaphänomen an der Uni, wenn man neu ist und sich unters Volk mischen will. Nichts geht über den Mikrokosmos der Mensa. Es sind Menschen aus der ganzen Welt hier, aber ich habe immernoch das Gefühl, dass es stark westlich geprägt ist. Der Kerngedanke von Auroville ist einen Ort der Einheit zu schaffen, in dem alle Kulturen, Nationen und Religionen im Einklang miteinander und der Natur leben. Auroville ist ein Experiment, dass von der Mutter 1968 initiert wurde, und auf Brachland gegründet wurde, dass heute 40 Jahre nach dem Beginn wunderbar grün erstrahlt und eine Oase des Lebens ist. Sie haben hier schon sehr viel erreicht, aber es ist ihnen auch klar, dass noch sehr viel getan werden muss, um dem Ideal gerecht zu werden.
Ich habe heute Mittag mit einer Koreanerin (lebst seit 5 Jahren hier) und einer Brasilianerin (lebt seit einer Ewigkeit hier) gesprochen und sei meinten beide, dass Auroville langsam zu stark altert und es junge Menschen brauche, um sich weiterzuentwickeln. Wie wär's, wenn wir alle hier für ein paar Jahre, oder auch bis wir unsere Körper verlassen, leben? Ihr müsst echt diesen Ort erleben. Er spricht von Weiterentwicklung und nicht mehr von Ausbeutung, sowohl der Natur, als auch der Menschen. Eine Gesellschaft, die nicht mehr auf Konkurrenz, sondern auf Schaffenswillen eines jeden Einzelnen basiert, ist doch wirklich erstrebenswert.
In dieser Kommune versuchen sie alles dauerhaft und selbstversorgend zu entwickeln. So besthet die Solarküche bspw. aus einer riesigen Solarschüssel, die genügend Energie in Form von Wasserdampf generiert, sodass 1200 Mahlzeiten gekocht werden können. Dieses ökologische und humanistische Denken setzt sich auch in allen Bereichen des Lebens hier fort und ich fühle zum ersten Mal, dass wir Menschen uns vielleich doch nicht zu Grunde richten werden.
Am Nachmittag fuhr ich zu ein paar Schulen im Auroville, um mit den Menschen zu reden und zu erfahren, wie ihr Leben hier wirklich ist. Es waren sehr unterschiedliche Schulen in ihren Konzepten (einige ähnlich den Montesourischulen) und auch Altersgruppen. Es war eine wunderbare Interaktion zwischen den Lehrern und Schülern, sowie mit mir. Ich bot ihnen an Freiwilligenarbeit zu leisten, um ihnen etwas zurück zu geben. Ich werde morgen also in einer kleinen Runde Capoeira unterrichten. Es wird bestimmt lustig, weil sie fast alle nur Tamil, die Sprache im „Bundesland“ Tamil Nadu, sprechen und der Lehrer übersetzen muss.
Am späten Abend half ich noch einer Aurovillerin beim Aufbau eines Beamers für ein DVD Vorführung über gewaltfreie Kommunikation, während ich auf den Beginn meines Meditationstanzkurses wartete. Der Kurs fiel leider aus, aber das Gespräch mit ihr (sie war ungefähr 60) war sehr interessant. Sie ist einer der Pioniere im Auroville und kam 1972 im Alter von 27 hier her. Sie schien so unglaublich Glücklich zu sein, dass es schon ein wenig beängstigend war. Ist doch seltsam, dass es ein bisschen beängstigend war, obwohl wir diesen Zustand anstreben.
Ich bin gerade am Überlegen, ob ich nicht hier länger bleibe, bis zum Ende meines Indienaufenthaltes. Ich möchte mehr von Indien sehen, aber fühle mich hier so wohl. Mmh, kann mich nicht wirklich entscheiden und werde wohl die nächsten Tage darüber entscheiden lassen.

Tuesday 16 October 2007

Die Mammutfahrt

Es sind fast 40 Stunden vergangen, seit ich in Kolkatta in den Zug gestiegen bin. Es ist 5 Uhr morgens und ich warte auf meinen Anschlusszug nach Pondecherry, der einzigen franzoesisch gepraegten Stadt Indiens. Uebrigens habe ich auf der Fahrt den Roman "The Life of Pi" gelesen, der teilweise von Pondecherry handelt, aber an sich eine wunderbare Geschichte ueber das Leben und Ueberleben ist. Kann ich sehr als gute Nacht Geschichte empfehlen. Ist witzig, unterhaltsam und bildend.
Eigentlich hatte ich ein Ticket fuer den Zug um 15:30 Uhr nach Pondecherry gebucht (150Rs), jedoch kam der Zug aus Kolkatta, zu meiner Ueberraschung, 1 1/2 Stunden frueher an als erwartet. Ich lief zum Ticketschalter, der um 4 Uhr Morgens geoeffnet hat, und erstand ein Ticket fuer den Zug um 6:35. Halb aus dem Bett fallend und im Halbschlaf machte ich mich auf dem Weg zur "Chennai Egmore" Station, da alle Zuege Richtung Westen und Sueden von dort abfuhren. Ich musste ein Taxi oder eine Rikscha nehmen und bemerkte, dass sich das Feilschen schon als Automatismus ausgepraegt hatte. Nachdem ich mit 3 Fahrern gefeilscht hatte, ueberzeugte ich den 4. fuer 25Rs mich nach Egmore zu bringen, was ein fairer Preis war.
Ich glaube, dass es sehr witzig waere, wenn ich in Deutschland zu Lidl gehen wuerde und anfange zu feilschen: "Aehmmm, der Broccoli sieht schon ein bisschen gelb aus, ich nehm ihn fuer 50ct, ok?? Nein? 60ct? ... bis sie mich rausschmeissen!"
Die 200km nach Pondecherry stellten sich als ueberaus anstrengend heraus. Ich sass auf Holzbaenken und aenderte meine Sitzposition alle 5min auf der 5stuendigen Fahrt. Auf halber Strecke kaufte ich mir Chapati (Flachbrot) und Dal (Mungobohnensuppe) zum Fruehstueck. Als eine Frau mit zwei Kindern sah, wie ich die Suppe restlos aufsaugte, bot sie mir etwas von ihrem selbstgemachten Chapati an. Es war superkoestlich, viel besser als das gekaufte von den Bahnhofsverkaeufern, da sie noch eine Art Zwiebelknoblauchpaste draufgeschmiert hatte, die einfach goettlich koestlich war. Ich bot ihr spaeter ein paar Suessigkeiten als Dank an, jedoch lehnten sowohl sie, als auch die Kinder ab. Ich habe in dem Zug noch ein sehr schoenes altes Paar photographiert, das sicherlich aus der untersten Kaste stammte. Ich verstaendigten uns mit Haenden und sie suggerierten mir, dass sie gern ein Photo aus meiner Kamera haben wollen. Als ich ihnen verstaendlich gemacht hatte, dass die Bilder in der Kamera sind und ich einen Computer zum Drucken brauchte waren sie ein wenig traurig. Ich wollte ihnen das Bild mit der Post schicken, aber entweder hatten sie kein festes zu Hause oder sie konnten nicht schreiben. Das machte mich wiederrum ein traurig. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich und ich war ganz schoen peinlich beruehrt als die Frau mir einen Handkuss gab.
Auf dem Bahnhof meldete sich gleich eine westlich aussehende Frau und meinte, dass in der Stadt kein Zimmer mehr frei waere, wegen irgendeinem Festival. Ich versuchte mein Glueck und rief eine Rikscha, um mich zur ersten Addresse in meinem Guide fahren zu lassen. Die Frau am Bahnhof hatte leider recht.
Ihr muesst euch meinen Zustand vorstellen. Ich war seit ca. 50 Stunden unterwegs, die Mittagssonne brannte imens, ich stank wie ein Iltis und ich musste zu allem ueberfluss gerade sehr dringend auf Toilette. Nachdem auch das dritte Hotel voll war, erleichterte ich mich in einem Restaurant (auf der Toilette natuerlich ;-) ). Ich fuehlte mich auch gleich verpflichtet dort zu essen und hatte eines meiner teuersten Essen ueberhaupt in Indien. Uebrigens nicht besonders gut, nachdem ich die goettlichen Chapati gegessen hatte.
Gesaettigt, erleichtert und abgekuehlt, entschied ich mich das Auroville (www.auroville.org) anzurufen und direkt dort hinzufahren ohne in Pondecherry zu uebernachten.
Das war eine wirklich exzellente Idee, da die Atmosphaere hier im Auroville totale Entspannung verspricht und ich mich schon jetzt puddelwohl fuehle.
Ich sitze jetzt im Solarcafe und esse sehr gutes und ausgewogenes Essen (natuerlich gibt's hier kein Fleisch, aber das macht gar nichts.) Die ganze Umgebung ist sehr gruen und strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Das ist der erste Ort in Indien, an dem ich fuehle, dass ich hier laenger verweilen koennte. Alle bisherigen Staedte und Orte waren sehr interessant und inspirierend, jedoch fehlte das gewisse Etwas, dass mich zum Bleiben animiert.
Ich habe schon ein paar Teile von Auroville gesehen, aber nicht wirklich betrachtet. Ich werde mehr berichten, sobald ich mehr gesehen und mehr verstanden habe. Bisher ist Auroville eine sehr abstrakte Idee.

Sunday 14 October 2007

Wer ist wer?

Ich sitze jetzt im Park vom „Viktoria Memorial“ und erhole mich von den Strapazen der Jeep- und Zugfahrt (19h). Die Jeepfahrt war diesmal weniger ermüdend, dafür aber beängstigender, da ich die Auswirkungen des Monsuns direkt sehen konnte. Teilweise fuhren wir über Straßen, die nur noch zur Hälfte existierten, weil der Rest die Klippen runtergestürzt war und ich fragte mich, ob die andere Hälfte nicht auch gleich samt Jeep und Insassen runterstürzen würde. Der Aufprall dürfte aber nicht ganz so schmerzhaft sein, da wir 13 Personen in einem Jeep waren, der normalerweise für 5 Personen ausgelegt ist. Die Jeeps wurden zwar so umgenbaut, dass die Ladefläche als Sitzfläche genutzt werden konnte, jedoch quetschten sich teilweise 5 Menschen auf eine Sitzbank. Meine Bedenken nicht anzukommen wurden noch größer, als ich eine Rettungsaktion eines Busses sah, der halb auf der Straße, halb in den Klippen hing. Wie ihr lesen könnt, sind meine Befürchtungen nicht bestätigt worden, ich sitze jetzt wieder im Flachland und muss mich wieder an das subtropische Klima gewöhnen.
Mir ist erst auf der Runterfahrt aufgefallen, dass ich schon lange keine Kühe mehr gesehen hatte. Dies sprach eindeutig dafür, dass ich den hinduistischen Teil Indiens verlassen hatte. Der Nordosten Indiens ist stark vom tibetischen Buddhismus geprägt und die Rinder müssen hier um ihr Leben fürchten. Jetzt erinnere ich mich auch daran, dass ich wie selbstverständlich eine delikate Thenuk (tibetische Breitbandnudeln) Suppe mit Rindfleisch und Spinat in Gangtok verspeist hatte. Ich glaube, dass ich das Rind durch meinen Gaumen mehr huldige als manch Hindu, der die Kühe verscheucht.
Als ich um 7 Uhr früh in Kolkatta ankam, spürte ich sofort, dass ich wieder in einer Großstadt war, in der Verkäufer, Taxifahrer und RikschaLÄUFER (!!!) mich belagerten. Ich fühle mich schon ein wenig unwohl, wenn ich Fahrradrikschas benutze, aber hier in Kolkatta treiben sie es zu weit. Sie spannen einen Menschen vor den ca 1.50m hohen Karren und lassen ihn barfuß durch die Straßen rennen.
Kolkatta war die Wirkungsstätte von Mutter Theresa und soll sich in Sachen Armut verbessert haben, jedoch kann ich mir nur vorstellen, dass es sich von absolut schlecht zu sehr schlecht entwickelt hat. Die Gegensätze zwischen Menschen in den Slums und Anzugmenschen in den Hochhäusern sind unübersehbar. Auf dem Weg zum „Mutterhaus“ brauchte ich dann auch keine Karte, da mich alle möglichen Menschen, auch ohne das ich sie fragte, mir den Weg zum Haus wiesen. Es war ein einfaches, mehrgeschossiges Haus, in dem ein Gedenkzimmer mit einem Grabstein für Mutter Thersa (ihre Asche wurde in dem unteren Zimmer aufbewahrt) und ein Informationszimmer über ihr Leben und Wirken eingerichtet waren. Die anderen Zimmer und Etagen wurden von den Schwestern des „Wohltätigkeitsordens“ genutzt. Ich verweilte in der friedlichen Atmosphäre einen Augenblick und genoß die Ruhe.
Als ich dann weiter durch die Straßen Kolkattas lief, folgte ich nur meinem Kompass Richtung Westen. Ich ging durch viele kleine Gassen, die Abends bestimmt nicht ungefährlich wären, aber bei Tage wunderbar gesäumt von kleinen Ständen und Straßenküchen waren. Menschen wurden hier direkt auf der Straße rasiert, alte Herren spielten Karten und Kinder spielten den Volkssport Nummer eins in Indien: Cricket.
Irgendwann stieß ich auf den „New Market“ einem Markt, der sich auf ein ganzes Viertel ausdehnte und in dem sich Massen von Menschen drängten. Hier waren so viele Menschen, dass ich kaum treten konnte. Sogar mein Fluchtversuch, wahrscheinlich eine Instinktreaktion ;-), endete in einer kleinen Gasse, die voll von Menschen war. Solche Menschenmassen stellte ich mir eigentlich in allen indischen Großstädten vor.
Nachdem ich mir letztendlich den Weg durch die Massen gebahnt hatte, ging ich zum Hotel zurück, um mich ein wenig frisch zu machen.
Am Abend war ich mit einem Freund von Farheen (aus Mumbai) verabredet, dessen Nummer ich von ihr erhalten hatte. Ich rief ihn an und wir verabredeten uns vor dem Hotel.
Als ich rauskam, kam er sofort auf mich zu, begrüsste mich mit einem komischen Englisch, zerrte mich in eine Rikscha und stieg nach einer kurzen Fahrt plötzlich wieder aus, ohne den Fahrer zu bezahlen. Wir gingen in ein Restaurant etwas essen und als ich versuchte eine Konversation zu starten, antwortete er sehr komisch auf meine Fragen. Ich musste meine Fragen wiederholen, da er mich kaum verstand. Ich fragte ihn woher er Farheen kenne und er antwortete nur, dass er sehr viele Freunde habe. Ich konnte es kaum fassen, dass Farheen solch einen Freund hatte. Er erzählte mir, dass er Englisch und Hindi studiere, aber in einem Reisebüro gleich auf meiner Straße arbeite. Er war der typisch Menschenschlag von Verkäufern, die ich normalerweise auf der Straße ignoriere. Als er mir dann noch mit einem Grinsen anbot ins Bordell zu gehen, fragte ich ihn nochmals ganz präzise nach wer er sei. Es kam heraus, dass er gar nicht Aditya war, sondern Didi sei. Ich überlegte kurz, ließ ihn stehen (ich hatte das ganze Essen schon bezahlt) und rannte zum Hotel zurück. Dort sagte man mir, dass jemand zwei mal angerufen hatte. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich mit irgendjemanden losgegangen bin und zu Abend gegessen habe, zum dem wirklich gar keine Verbindung hatte. Ich rief Aditya erneut an und wir verabredeten uns in einem Cafe. Wir mussten beide herzlich darüber lachen. Ich war in einem positiven Schockzustand und konnte es immernoch nicht fassen, was passiert war. Vor allem aber, dass der falsche Aditya die ganze Zeit mich an der Nase herumgeführt hatte.
Der richtige Aditya war dann auch die Art von Person, die ich erwartet hatte. Er sprach ein sehr gutes Englisch, war gebildet und mir sehr sympathisch. Wir unterhielten uns eine Weile über Indien, Deutschland und Vietnam, er gab mir Tips für meine Weiterreise und wir tauschten unsere Emailaddressen bevor wir uns verabschiedeten.
Vielleicht kaufe ich mir doch ein indisches Handy, weil solche „Blindtreffen“ doch auch mal in die Hose gehen können.

Friday 12 October 2007

Madame Unzufrieden

Ich teile mir gerade ein Zimmer mit einer armenisch-britischen Frau, die wirklich eine Frau ist (42). Sie ist noch ziemlich jung im Geiste geblieben, aber entwickelt schon langsam “Altersallüren”. Ich würde sie als Ernährungshypochonda charachterisieren, da sie an allem, was sie zu Essen bestellt, rummäkelt. Ich habe noch nie einen Menschen erlebt, der so viel negative Energie beim Essen versprühen kann. Ich bin der absolute Genussmensch beim Essen und war wirklich gestresst beim und nach dem Essen mit ihr. Irgendwie gebot mir aber meine Höflichkeit den Tag mit ihr zu verbringen, da ich ein Zimmer mit ihr teilte, um möglichst günstig zu übernachten. Hätte ich gewusst, dass es mit solch einem Stress verbunden ist, hätte ich gern das doppelte bezahlt.
Abgesehen von diesen Unzufriedenheitsattacken ihrerseits, war der Tag aber sehr schön, weil ich zwei sehr schöne menschliche Begegnungen hatte.
Auf der Suche nach der “Bhagavadgita”, einer der Hauptsagen der Hindus, worauf Ghandi auch seine Philosophie und Lebensweise begründet, fand ich den ersten richtigen Buchladen, in dem ich mich richtig wohl fühlte. Der Buchladen war sehr gut sortiert und ich hatte das Gefühl, dass der Besitzer mich mit ganzem Herzen beriet. Es gibt nämlich tausend Übersetzungen und Interpretationen der “Bhagavadgita” und er suchte mir die beste und passendste heraus. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir von seiner Verbindung zu verschiedenen indischen Autoren, z.B. zu Baby Halder, eine bemerkenswerte Frau, die “A life less ordinary” schrieb, ein autobiographisches Buch über Mut und Selbstbestimmung. Neben seinem Buchladen veranstaltet er regelmäßig Filmabende und versucht gerade ein Deutsches Filmfest auf die Beine zu stellen. Ich konnte ihm ein bisschen über die Leipziger Schule, Wim Wenders und die Berlinale erzählen, aber bin auf diesem Gebiet fast Ahnungslos. Wir tauschten unsere Emailaddressen aus und ich versprach ihm mehr Informationen zukommen zu lassen. Er war auch kürzlich in Varanasi, verfasste einen Artikel für eine Kulturzeitschrift und photographierte auch die Bilder für den Artikel. Zum Abschied schenkte er mir die Zeitschrift, was sehr bemerkenswert war, da die Zeitschrift 50Rs kostete und ich für mein Buch nur 160Rs bezahlte, was ihm eigentlich keinen Umsatz ließ. Es sind solche Begegnungen, wenn Menschen wahrhaftig handeln, ohne irgendwelche Hintergedanken, die mich mit absoluten Glück erfüllen. Ich versuchte es der armenischen Britin zu erklären, jedoch meinte sie nur, dass er ja Umsatz gemacht hatte, weil sie auch ein Buch gekauft hatte. Die Wärme, die noch vor kurzem meinen Körper und Geist erfüllte, wich schnell dem kalten Drang unser nächstes Touristenziel zu erreichen.
Wir gingen zum Kunst- und Handwerkszentrum von Sikkim, das auch eine Schule für traditionelle sikkimische Kunst und sikkimisches Handwerk beherbergt. Es war dem tibetischen Flüchtlingslager sehr ähnlich, nur das der Kauf ihrer Waren in die Erhaltung ihrer Kultur floss und nicht zum Lebensunterhalt diente. Als ich in das Zimmer für die Fertigung von Wandtäfelungen ging, sah ich 12 Jungen verschiedene Wandtäfelungen fertigen. Ich konnte die Prozeß vom Entwurf auf Papier, über das Schnitzen bis zur fertigen Lackierung beobachten. Ich sah einen Stapel mit fehlerhaft geschnitzten Rohlingen und fragte den Lehrer, ob ich einen davon kaufen könne. er meinte nur nüchtern, dass diese nicht für den Verkauf seien, jedoch gab er mir eine Täfelung mit einem Zwinkern und verlangte nichts dafür. Ich freute mich riesig und bedankte mich sehr. Er hatte mir nicht nur eine Täfelung geschenkt, sondern ein richitges Unikat. Es sind die Fehler in dieser Täfelung, die mich immer wieder an diesen schönen Moment denken lassen.
Madame Unzufrieden rannte während dessen durch die Klassenzimmer und das Museum, um sich an den Waren im Shop zu befriedigen. Sie kaufte sich sechs Hefte aus handgemachtem Papier und schien zum ersten mal zufrieden zu sein.
Wir verließen dann recht schnell den Shop und machten uns an den Aufstieg zu einem buddistischen Tempel im Nordosten von Gangtok. Nach einer halben Ewigkeit waren wir oben angekommen, weil sie alle 100m eine Pause benötigte. Der Tempel strahlte von außen erhabenheit und Ruhe aus. Im Innern arbeiteten und beteten Möche. Ich ging in einen Raum, in dem ungefähr 100 kleine Kerzenständer auf einem Tisch standen. wovon einige Kerzen leuchteten. Ein junger Mönch gab mir einen Holzspat und hieß mich eine Kerze anzuzünden. Nachdem ich dies getan hatte, sagte er mir, dass pro Kerze ich 5Rs zu zahlen haben. Ich fühlte mich wirklich verarscht,, weil ich diese “Verkaufstricks” von den Händlern auf den Straßen erwarte, aber nicht von einem Mönch in einem Tempel. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass Religionen sehr positiv sind, aber in ihrer institutionalisierten Form, sei es Kirche, Moschee oder Tempel, stark korrumpiert sind.
Der Tag ging noch ein bißchen weiter mit ein paar Höhen und Tiefen, die hauptsächlich durch Madame Unzufrieden verursacht wurden. Wir rannten z.B. für das Abendessen durch 5 verschiedene Restaurants, da ihr die Speisekarten oder das Restaurant an sich nicht gefielen. Ich hätte sie fast zu einer Straßenküche geschleppt und sie dort zum Essen gezwungen.
Ich bin heilfroh, dass sie morgen in eine andere Richtung fährt und ich wieder mein Reise wirklich geniessen kann. Ich verstehe kaum, wie man so ignorant und unzufrieden als Reisender sein kann. Glück und Zufriedenheit sind sehr zerbrechlich und ich möchte nicht, dass sie durch Nichtigkeiten zerstört werden.

Thursday 11 October 2007

Geschichte der Wunsch- und Realliebe

Ich sitze jetzt in Gangtok (Sikkim) ca. 100 km von Darjeeling und versuche meine Jeepfahrt zu verarbeiten. Ich bin am Mittag von Darjeeling mit dem Jeep losgefahren und war gegen 5 Uhr in Gangtok. Die Jeepfahrt war fast schlimmer als mein Ausflug im Nachtbus, weil die Straßen saumässig schlecht sind und der Jeep sich im Wellengang der Berge wiegte. Hier Gangtok erlebe ich wieder das Phänomen, dass renomierte Hostels/Hotels sehr viele Namensvettern erhalten, die nur geringfügig anders geschrieben werden, um den gestressten Touristen in ein anderes Hotel zu locken. Neben diesem Backpackeraltagsstress musste ich den ganzen Tag über ein Paar nachdenken, dass neben mir im Jeep saß. Vielleicht versuche ich einfach mal eine Kurzgeschichte darüber zu schreiben.
Der erste Teil der Geschichte entsprang meiner Phantasie und meinem Streben nach wahrer Liebe (ja, irgendwie glaube ich immernoch daran). Der zweite Teil ist leider die pure Realität und meine Wahrnehmung als westlich geprägter Mensch, der versucht nicht zu richten. Es hat mich auf jedenfall ziemlich getroffen und ich verurteile soweit nur die Gewalt. Alle anderen Faktoren entziehen sich meiner Erfahrungswelt.

Tshering – Mädchen/Frau
Dewasish – Junge/Mann

Die Sonne ging gerade am Ufer des Tsomgo Sees auf, der gute 5 Stunden Fußweg von Gangtok entfernt ist. Tshering holte Wasser für die Famlie und ihre Tiere. Vor allem aber, um den Jungen am anderen Ufer zu sehen, dessen Namen sie nicht kannte. Am Tsomgo See existierten zwei Dörfer, die jedoch durch die anhaltenden Konflikte zwischen Nepal und Bhutan verlassen wurden.
Damals ging Tshering täglich das Wasser holen und genoß den 20 minütigen Fußmarsch früh am Morgen, wenn sich der Morgenebel langsam lichtete und das Tagleben des Waldes begann. Es war ein immer wiederkehrendes Ritual und ihr Bewusstsein bemerkte jede kleine Änderung in ihrer Welt.
Eines Morgens jedoch war es keine kleine feine Änderung, sondern ein Erdbeben, dass ihre Welt erschütterte. Sie sah am anderen Ufer einen Jungen sitzen, der etwas hoch in die Luft hielt und in seiner Position eine halbe Ewigkeit verharrte. Nachdem sie völlig gedankenverloren ihn bei seiner Meditation beobachtete, sie dachte, dass er meditiere, erschrak sie, da die Sonne schon über den Wipfeln der Bäume stand. Sie füllte den Eimer und spannte den Trageriemen über die Stirn und rannte nach Hause.
Am nächsten Morgen lief sie, so schnell sie konnte, zum See und beachtete den Wald und die Tiere kaum. Sie hoffte den meditierenden Jungen am See wieder zu sehen. Als sie fast den See erreicht hatte, schlug ihr Herz wie wild und wollte nicht in ihrer Brust bleiben. Ein Glücksgefühl durchströmte ihren ganzen Körper, als sie den Jungen am anderen Ufer erblickte.
Dieses Ritual vollzog sich Jahr um Jahr und sie reifte zu einer wunderschönen Frau heran. Sie fragte die Handelsmänner, die von Dorf zu Dorf zogen, wer der Fischer aus dem anderen Dorfe sei. Die Männer, angezogen von ihrer betörenden Schönheit, antworteten es sei nur der Fischerjunge Dewasish. Nun hatte ihr Gefühl einen Namen, den sie in ihrem Herzen tragen konnte.
Eines Tages jedoch erblickte sie Dewasish nicht mehr. Tag um Tag verging und ihr Gang zum See wurde schleppender und qualvoller. Eines Tages belauschte sie ihren Vater, den Stammesältesten ihres Dorfes, beim Gespräch mit dem Stammesältesten des gegenüberliegenden Dorfes. Er sprach von einem Fischerjungen, der nach Darjeeling gegangen sei um sein Glück zu versuchen und jetzt sehr erfolgreich sei. Als sie dies hörte, packte sie ihre Sachen und verließ ihre Heimat, nur eine kleine Notiz hinterlassend, dass sie ihre Eltern liebe und wiederkommen werde. Ihr Weg durch die Berge war beschwerlich, doch viele gute Seelen halfen ihr dem Ruf ihres Herzens zu folgen.
In Darjeeling fand sie eine Unterkunft und eine Position als Haushälterin bei einem Teeplantagenbesitzer. Dieser war sehr gutmütig und bezahlte ihr so viel Geld, dass sie ihren Eltern immer eine kleine Summe schicken konnte.
Nach einem Jahr fand sie endlich Dewasish und er erkannte sie sofort. Sie standen absolut erstarrt voreinander, als ob der See sie immernoch voneinander trennte. Sie wollte ihn so vieles fragen, doch ihr kam kein Wort über ihre Lippen. Es war eiskalt auf der Straße und der Wolkennebel durchnässte ihre Kleidung. Dewasish sah ihre blauen Lippen und lud sie zu sich nach Hause ein, um sich aufzuwärmen. Sie betrat sein Heim und verließ es mit jubelndem Herzen. Sie trafen sich ein Jahr lang immer bei ihm und sie verlebte die glücklichste Zeit ihres Lebens, doch immer wenn sie von Heirat sprach, wollte brach er das Thema ab und wurde sehr wütend.
Eines Morgens fühlte sie sich schwach und übel. spürte, dass sich ihr Körper veränderte und rannte voll Glück und Freude zu Dewasish. Er öffnete ihr die Tür, sah ihre Freude und fragte, ob sie eine Gehaltserhöhung erhalten hatte. Als er jedoch den Grund ihrer Freude erfuhr, schmiß er sie raus und wollte sie nicht mehr sehen. Sie war am Boden zerstört und weinte Tag und Nacht.
Nach einer Woche kam er zum ersten Mal zu ihr und sah in welchem ärmlichen Verhältnissen sie lebte. Sie verzieh ihm sofort und alles war vergessen.
Im sechsten Monat spürte sie den Drang ihr Baby in ihrer Heimat zur Welt zu bringen, jedoch gefiel Dewasish dieser Gedanke absolut nicht, da er sein Gesicht vor seiner Famlie und dem Dorf verlieren könnte. Er hatte ein Mädchen geschwängert und es nicht zu seiner Frau genommen. Aber viel mehr war er die ganze Zeit nur ein armer Schlucker gewesen, der es nicht schaffen würde eine Familie zu ernähren. Sie liebte ihn über alles und überzeugte ihn doch noch zu fahren, nur um ihre Eltern zu sehen. Sie gingen also gemeinsam zum Jeepstand und stiegen in den Jeep nach Gangtok. Er saß ganz steif da und sie schlang sich liebevoll auf den Sitz um ihn. Nachdem der Jeep sich in Bewegung gesetzt hatte, begannen sie sich zu streiten und als der Jeep hielt um noch eine Person aus Darjeeling mitzunehmen, stieg er über den vorderen Sitz und stieg aus. Sie folgte ihm zur vorderen Sitzbank und öffnete die Tür, doch er schlug sie vor ihrer Nase wieder zu und drückte sie durch das Fenster zurück. Sie öffnete wieder die Tür und sein Gesicht verfinsterte sich. Er schrie etwas mit wuterfülltem Gesicht und stieß die Tür wieder zu. Sie näherte sich dem Fenster um ihn festzuhalten und die Tür zu öffnen, da schlug er sie mit seiner offenen Hand so dass sie ein wenig zurückweichen musste. In ihrer Abhängigkeit und ihrem Wahnsinn näherte sie sich wieder der Tür und öffnete sie. Blinde Wut überkam ihn, er ballte seine Faust zusammen und schlug ihr mitten ins Gesicht. Sie viel auf den Sitz und er entfernte sich vom Jeep. Alle Passagiere im Jeep saßen wie erstarrt in ihren Sitzen, machtlos etwas zu unternehmen.
Als sie sich wieder aufgerappelt hatte, öffnete sie die Tür und stieg aus dem Jeep. Er kam sofort zurück und schlug auf offener Straße auf sie ein. Ließ dies jedoch nach kurzer Zeit bleiben, da er sich langsam seiner Handlung bewusst wurde oder vielmehr sich seines Bildes in der Öffentlichkeit bewusst wurde. Der Jeep fuhr 100 m weiter und wartete, ob sie noch mitfahren wollte. Nach 2 min kamen beide wieder zum Jeep und stiegen ein. Sie weinte stark im Jeep und er redete wütend auf sie ein. Ihre Versuche sich körperlich zu nähern, stieß er mit groben Bewegung von sich. Nach dem sich seine Wut gelegt hatte, schliefen beide ein. Am Ende der Fahrt überkamen sie Schmerzen im Unterleib und er legte seine Arme um sie. Sie schienen ein glückliches Paar zu sein, dass bald ein Baby erwarten würde und das einzige Problem schienen jetzt nur noch ihre Unterleibschmerzen zu sein.

Das Ende der Geschichte bleibt offen, aber in meinen Augen wird es das Baby hoffentlich schaffen seine Liebe zu erwecken oder zumindest seinen Respekt, wenn sie es nicht vermag. Ich hätte ihm am liebsten ihm die Arme gebrochen, aber wie ich oben schon erwähnte, vermag ich nur die Gewalt zu verurteilen. Ich weiß nicht, was ihn wirklich dazu getrieben hat und welchen Lebens-/Liebesbegriff die beiden haben. Es war ein sehr berührender Moment, auch wenn sehr negativ. Das einzige, was ich zu tun vermochte, war ihr ein Taschentuch zu geben, um ihre Tränen zu trocknen. Sogar hier spürte ich seine Dominanz über sie, da sie das Taschentuch nicht annahm, sondern erst nachdem er es nahm und ihr gab.

Eigentlich nicht mehr Indien

Ich bin jetzt in Darjeeling, der Bergstadt (ca. 2500 über dem Meeresspiegel) mit dem besten schwarzen Tee und einer der höchsten Bahnhöfe der Welt. Darjeeling ist extrem stark von den Briten geprägt worden, da es neben dem Tee auch sehr mildes Klima und eine malerische Landschaft besitzt, die es als Erholungsgebiet prädestinieren.
Ich muss hier zum ersten Mal eine Jacke tragen und friere mir bei 18 Grad den Arsch ab. Numerisch ist es eine Halbierung der Temperatur, aber gefühlt ist es eher wie tiefster Winter.
Heute Morgen bin ich um 3:30 (Nachts) aufgestanden, um einen Jeep zum Tiger Berg zu nehmen, der einen 360 Grad Ausblick auf die Umgebung erlaubt. Ich habe die Himalayas jetzt in ihrer ganzen Pracht von fernem gesehen. Das Erlebnis war alles andere als einsam, da ich mir den Aussichtspunkt mit ungefähr 200 Menschen teilen musste. Es war dennoch sehr beeindruckend den Kanchenjunga (der dritthöchste Berg der Welt) und den Mount Everest (höchster ;-) ) beim Sonnenaufgang erleuchten zu sehen.
Nach diesem arg frühen Ausflug genehmigte ich mir ein großes Frühstück in meinem Hotel, das eher eine kleine Familienpension ist. Ich aß tibetische Spezialitäten, da die Familie ursprünglich aus Nepal stammte und deren Küche sich mit der tibetischen ähnelt. Nachdem ich ein sehr leckers tibetisches Brot, das ähnlich dem indischen Bhatura ist, verspeist hatte, fragte ich, ob sie mir morgen früh zeigen könnten, wie sie es zubereiten. Ich bin sehr gespannt.
Mein Plan für die nächsten Tage ist es nach Sikkim (nord-östlicher Teil von Indien) zu fahren. Jedoch gibt es Einreisebeschränkungen für dieses Gebiet, da es genau in der Konfliktzone Nepal-Butan und Tibet liegt. Um dort einreisen zu können, muss man eine Sondergenehmigung beantragen.
Ich musste also hier in Darjeeling zu zwei Ämtern dackeln, um meine Sondergenehmigung zu erhalten. Es stellt eigentlich kein Problem mehr dar, eine Genehmigung zu erhalten, da sich die Lage hier entspannt hat, und ist nur noch eine Formalität, die ein bisschen Fußmarsch erfordet. Bei den beiden Ämtern war eine ganze Meute von Touristen und ich habe mir ein paar Leute gesucht um durch Darjeeling zu ziehen.
Auf dem Weg zum tibetischen Flüchtlingslager, das zirka 700 tibetischen Frauen, Kindern und Männer Arbeit bzw. Bidlung, Unterkunft und Nahrung gibt, liefen wir durch eine sehr schöne alte Marktstraße, die gerade am erwachen war. Es war ein Markt für die Einheimischen und war bisher der authentischste Markt ohne touristischen Klimbim, den ich bisher gesehen habe. Es reihten sich dort Stände von frischem Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch aneinander.
In dem tibetischen Lager fertigen die Flüchtlinge freiwillig traditionell tibetische Produkte wie Teppiche, Schuhe, Schmuck, Schals und Mützen in sehr hoher Qualität. Durch den Kauf im anliegenden Shop kann man die Flüchtlinge direkt unterstützen. Die Preise sind für indische Verhälnisse ziemlich teuer, aber dafür erhält man handgemachte, nicht verwerfliche Produkte und kann vielleicht 1/1000 seines Gewissens beruhigen.
Das Flüchtlingslager fungiert auch als Informationszentrum für die tibetische Gemeinschaft und informiert über die Situation der Tibeter. So kam mir wieder ins Bewusstsein, dass die chinesische Regierung einen Jungen und seine Familie festhält, den der Dalai Lama zum 11. Panchen Lama ernannt hatte. Die dort gezeigten Artikel sind meist mit “jüngster politischer Gefangener” betitelt. Ich glaube, dass nur die chinesische Regierung dies nicht für verwerflich hält.
Ich kaufte mir dann einen schönen und superweichen Kashmirschal in dem Bewusstsein, dass ich sie ein wenig untertstütze. Naja, es hat doch den bitteren Beigeschmack des sich Freikaufens und ich fühle mich nicht wirklich wohl nach dem Verlassen des Lagers.
Die Gruppe wollte dann auch weiterziehen und wir machten uns auf den Weg nach Norden um den sehr renomierten Zoo von Darjeeling zu sehen. Wir liefen querfeldein durch Teeplantagen und erreichten nach kurzer Zeit wieder eine Straße. Wir waren relativ müde und entschieden uns, per Anhalter mitnehmen zu lassen. Es fahren ständig Jeeps zwischen den Städten und Dörfern hin und her, die ähnlich wie Taxis genutzt werden. Unser Jeep hatte nur noch zwei freie Plätze, also entschied ich mich auf dem Dach des Jeeps mitzufahren. Ich hatte schon einige Menschen auf dem Dach mitfahren sehen und wollte es auch einmal erleben. Es war ein sehr schönes und aufregendes Erlebnis den milden Wind zu spüren und die Landschaft ohne Einschränkung zu betrachten. Ein bisschen Adrenalin war auch dabei, da einige Bäume und Kabel nicht besonders hoch hingen und nach meinem Leben trachteten.
Wir kamen genau zur Fütterungszeit beim Zoo an und erlebten relativ stark domestizierte “Wildtiere” wie Wölfe, Bären, Füchse und Tiger, die alle samt kurz vor dem Aussterben sind. Ein kleiner Streifzug durch das anliegende Mount Everest Museum und wir machten uns zurück auf den Weg in die Stadt.
Ich war sehr überrascht von den Menschen in Darjeeling, da hier sehr viele Nepalesen leben und das Straßenbild eher typisch asiatisch tibetisch als indisch geprägt ist. Wenn ich so durch die Straßen hier laufe, sehe ich extrem viele schöne Menschen und ich habe den Eindruck, dass Nepalesen zurückhaltender und schöner sind als Inder.

Sunday 7 October 2007

Kulturclash

Gestern sind wir eigentlich nur Zug gefahren, um die negativen Seiten des indischen Transportwesens, das normalerweise erstaunlich effizient ist, zu spüren. Reisen in der zweiten Klasse im Schlafwagen beinhaltet normalerweise Ventilatoren. Wenn diese jedoch auf halber Strecke ausfallen und man die Mittagssonne fährt, hat man Sauna gratis. Ich weiß nicht wie lange der Weltrekord für Sauna ist, aber 12 Stunden Sauna fand ich schon recht rekordverdächtig.Im Abteil spielten neben uns fünf Zugkinder, die normalerweise den Zug fegen und bettelnd durch den Zug gehen. Ich ließ mein Schachspiel auf der obersten Liege liegen und als ich die Kinder mit meinem Schachspiel an meinem Fenster vorbeirennen sah, war ich stinksauer. Eine Stunde vorher hatten wir noch einen Teil unseres Mittagessens mit ihnen geteilt! Ich sprang also auf, vergewisserte mich nochmal ob es wirklich meine Tüte war und rannte zur Tür. Ich konnte die Gruppe aus der Ferne sehen, wie sie die Tüte mit dem Schachspiel inspizierten. Sie konnten mit dem Inhalt offentsichtlich nicht viel anfangen und als ich winkte, kam einer von ihnen mit gesenktem Kopft zurück und gab mir meine Tüte mit dem Schachspiel. Mein erster erfahrener Diebstahl auf meiner Reise ist also nochmal gut ausgegangen. Angekommen in Varanasi suchten wir uns eine Unterkunft und erfreuten uns der Duschen und dem schlechtesten Essen, dass wir bisher in Indien gegessen hatten.Gegen fünf Uhr morgens sind wir aufgestanden, um den Sonnenaufgang über Varanasi mit dem Boot zu betrachten. Es war sehr touristisch, aber dennoch äußerst schön. Das Boot fuhr uns entlang der Ganges zu den verschiedenen “Ghats” (Uferabschnitte mit Zugang zum Ganges). Sehr unterschiedliche Gebäude, sowohl in ihrer Nutzung, als auch in ihrem Zustand. Zwischen den Massen- und Entwicklungsproblemen Indiens wird nur sehr wenig für die Erhaltung der indischen Kulturstätten und Denkmäler getan.Es gibt entlang der Ghats zwei Verbrennungsghats, an denen die Leichen direkt auf Holzhaufen verbrannt werden. Hierbei wird bei den Leichen noch unterschieden, ob es ein Brahmin (höchste Kaste) oder ein Mitglied einer niederen Kaste ist. Je nach Kaste wurde ein anderer Scheiterhaufen genutzt. Der Besuch des Verbrennungsghats war schon ziemlich seltsam. Einerseits präperierte und schmuckvoll verhüllte Leichen neben den Holzhaufen zu sehen und andererseits badene Menschen, die neben der Asche schwimmen und das “heilige” Wasser trinken. Es hat mir dann des Rest gegeben, als ich einen Hund an einem Knoch mit verkohltem Fleisch nagen sah. Das Frühstück wurde dann erstmal verschoben.Das Verbrennungsghat war aber auch sehr interessant. So, nahm ich keinen Leichengeruch oder Verbrennungsgeruch, außer dem des Holzes, war. Bei der Verbrennung schmeißen sie Sandelholzpulver in die Haufen. Ich vermute mal, dass das den Leichenverbrennungsgeruch überdeckt oder gar neutralisiert. Die Verbrennungen werden 24h an 365 Tagen durchgeführt, da Menschen aus ganz Indien sich hier verbrennen lassen wollen, um direkt in den Himmel zu kommen. Nach Hindumythologie und Glauben ist der Ganges die garantierte Wiedervereining vom Atman (Selbst) mit Brahman (Gott).Interessant war noch, dass ein Feuer existierte, dass seit 3500 Jahren brennen soll. Es war sehr interessant das alles mit eigenen Augen zu sehen, aber zwischenzeitlich fühlte es sich nicht gut an diese Menschen bei ihrem letzten Weg “touristisch” zu beobachten.Wir gingen dann zu einigen Tempeln um auf andere Ideen zu kommen und liefen später vom nördlchsten Ghat bis zum mittleren Ghat ca. 4km am Ufer des Ganges entlang.Am Abend waren wir noch beim Hauptghat, um die “Pujas” zu sehen. Die Zeremonie war sehr besonders groß, weil irgend ein hoher Gast (chinesisch aussehend) anwesend war. Massen von Menschen standen oder saßen an dem Ghat und beobachteten acht junge Brahmin - beachtet: Brahman (Gott), Brahmin (höchste Kaste) – die Zeremonie durchführen. Es war alles sehr feierlich unter Kerzenlicht und traditioneller indischer Musik. Ich konnte leider nicht bis zum Ende bleiben, da ich meinen Zug nach Dajeeling kriegen musste.

Urlaub vom Urlaub

Ich war heute bei meinem ersten Yogakurs überhaupt und fühle mich sehr wohl in meinem Körper. Yoga (Trikayoga) war sehr meditativ und mir wurde mein ganzer Körper bewusster, da die Übungen die Selbstwahrnehmung stärken. Der Kurs bestand aus einer Theoriestunde, in der das Warum und das Wie erklärt wurden, und einer Praxisstunde, in der die anstrengende Umsetzung folgte. Die Theoriestunde war sehr esoterisch und ich konnte mich dem nicht wirklich öffnen. Die Übungen hingegen waren mir sehr zugänglich, wurden mit geschlossen Augen durchgeführt und haben mich vollkommen erfüllt bzw. befreit. Nach ein paar Aufwärmpositionen, die unheimlich auf die Dehnung und die Ausdauer der Muskelatur zielen, folgte die eigentlich Position für den Tag: der Schulterstand, soll den Energiefluss umkehren und dadurch die Alterung des Körpers verlangsamen oder gar stoppen. Ich fühlte mich sehr vital nach dem Yoga, aber ob ich auch nur eine Minute “gerettet” habe, wird wohl nur Yogi wissen ;-).Ansonsten habe ich den ganzen Tag im Schatten gelegen und gelesen. So ein Wohlfühltag mit vollkommener Entspannung ist ein sehr guter Gegenpol zum hektischen Reisen. Jetzt bin ich wieder vollkommen bereit wieder neue Eindrücke aufzunehmen.Am Abend sind die Amis und ich mit einer Motorrikscha von Rishikesh nach Haridwar gefahren, um den Nachtzug nach Varanasi zu nehmen. Wir quetschten uns zu dritt hinten auf die Bank, damit es billiger wurde, da die vordere Bank noch von Anhaltern auf dem Weg besetzt wurde. Plötzlich hielt der Fahrer aber mitten in einem Dorf auf halben Wege nach Haridwar und meinte wir sollen in die andere Rikscha umsteigen. Sehr perplex verneinten wir natürlich, aber sahen dann drei weitere, westlich aussehende Touristen und verstanden, dass in diesem Verkehrschaos doch noch eine Art System herrscht. Wir fuhren dann also zu sechst zum Bahnhof. Zwischendurch steckte ich meinen Kopf aus dem “Fenster”, um mich zu strecken, jedoch ließ ich das schnell sein, da der Gegenverkehr mir sonst die Rübe weggerissen hätte.In Haridwar angekommen, hatte der Zug wie immer Verspätung, aber diesmal nur eine Stunde. Zeit ist ein sehr dehnbarer Begriff und die indische Zeit verhält sich eher wie ein wirklich dicker Fahrradschlauch.

Thursday 4 October 2007

Warum ich Briten nicht mehr treffen will

Ich hatte jetzt mein erstes wirklich negatives Indienerlebnis und es betrifft nicht Inder, sondern meinen mitreisenden Briten. Er ist heute Abend abgereist und wir haben uns nur zufällig kurz getroffen, als er schon mit seinem Gepäck auf zum Bahnhof ging. Ich hatte bei diesem kurzen Gespräch schon etwas komisches an seinem Gesicht abgelesen, als er meinte, dass er das Geld für die Unterkunft bei den Amis gelassen hatte. Zurück in meinem Zimmer kontrollierte ich, ob noch alle meine Sachen vorhanden waren. Es war zum Glück noch alles vorhanden und ich war heilfroh, weil ich meinen Laptop in meinem Zimmer gelassen hatte. Die ganze Umgebung und die indische Familie wirken äußerst vertrauenswürdig. Als ich hoch zu den Amis ging, gaben diese mir 400Rs. Als ich jedoch am Abend mir die Rechnung geben ließ, musste ich feststellen, dass der Wichser (Entschulding) mich um 300Rs geprellt hatte. Es ist nicht wirklich viel Geld, aber es geht um die Handlung und den dadurch verursachten Vertrauensbruch. Naja, es war sehr enttäuschend, aber ist halt ne neue Lektion für die folgende Zeit.Ich kann diesen Tag wohl den Tiefpunkt meiner bisherigen Reise nennen, da ich neben dem Betrug auch herausfand, was mich die letzten Tage geplagt hatte. Es ist ein Mikroorganismus und er wird hier Girdia genannt. Es ist eine Amöbenart, die Durchfall, Blähungen und Röpsen verursacht. Nachdem alle meine Naturmittelchen wie Kohletabletten und Becberin (von meiner Mama) nur die Symptome behandelten, hab ich von den Amis eine Antibiotikakur bekommen, die anscheinend die Viecher zu töten vermarg. Ich bin eigentlich kein Fan von Antibiotika und hab mich lange dagegen gesträubt, aber letztendlich wollte ich mich wieder wohl fühlen, um das Reisen wirklich zu genießen.Eigentlich war der Tag sehr schön und wiegt die Negativerlebnisse sehr gut auf. Ich bin zu ein paar Ashrams gegangen, habe mir angeschaut was sie dort machen, mich in Tempeln erholt, die verschiedenen Hindurituale beobarchtet und mir am Abend die pujas (Zeremonien) am Ufer des Ganges angeschaut.Das schönste Ashram war das “Beatles Ashram”, in dem die Beatles 1968 ihr “White Album” schrieben. Es lag erhöht direkt im Wald und bestand aus vielen kleinen Häusern, die aus Wohnraum und Meditation Kuppel bestanden. Eine sehr friedliche und grüne Atmosphäre. Oeider ist das Ashram, wegen einem Streit zwischen der indischen Regierung und den Geistlichen, geschlosssen und ich musste die Wache am Eingang bestechen, damit ich hineinkomme. Wenn ich so recht überlege, war es das erste Mal, dass ich jemanden bestochen habe, um etwas “verbotenes” zu erreichen. Es fühlte sich seltsam an, weil es sich ganz natürlich anfühlte und die Wache es regelrecht mit ihren Augen forderte.Nach dem Beatles Ashram besuchte ich ein paar öffentliche Tempel, die rechteckig angelegt und grün bepflanzt sind. In den Tempeln selbst befindet sich ein Altar mit einer Form der Gottheit.Ich lese gerade ein Buch über Hinduismus und die fundamentalste Unkenntnis, die sehr verbreitet ist, ist dass der Hinduismus ein Polytheismus ist. Jedoch ist er keineswegs ein Polytheismus, sondern ein Monotheismus der verschiedene Avatare (weltliche Form Gottes auf Erden oder geistiges Bild Gottes) akzeptiert. Es gibt so viele Gottheiten, die Hindus anbeten, aber diese sind bloß eine Erscheinungsform eines allumfassenden Gottes. Sehr interessant ist auch die Tatsache, dass der Hinduismus die einzige Religion ist, die keinen personifizierten “Erfinder” hat (z.B. Jesus, Mohammed, Buddha). Was mir vorher auch noch nicht klar war, ist dass Hinduismus von den Hindus eigentlich nicht als Religion wahrgenommen wird, sondern mehr als eine Lebensweise. Das indische Wort “dharma” hat keine explizite Übersetzung ins Deutsche oder Englische, bedeutet aber irgendwas zwischen Religion und Zivilisation. Hinduismus ist für die Hindus “dharma” und nicht Religion in seiner eingschränkten Bedeutung.Durch diese Offenheit im Hinduismus, gibt es unglaublich viele Variationen in der Umsetzung und Interpretation. Ich habe wahrscheinlich nur ein tausendstel von den Ritualen in den Tempeln beobachten können. Einige Hindus knieten vor dem Altar, andere legten sich komplett auf den Bauch und einige standen nur und beteten mit geschlossenen Handflächen vor sich. Gemein ist ihnen, dass sie den Tempel nur Barfuß betreten, das Weihwasser trinken und über ihr Haupt streichen. In einem Tempeln läutete jeder Hindu eine Glocke vor dem Gebet. Das wurde auf die Dauer sehr laut und anstrengend und ich ging weiter, um mir ein ruhigeres Örtchen zu suchen.Zwischendurch sah ich ein paar Inder Schach spielen und schaute ein Weilchen zu, bis sie mich auf ein paar Spiele einluden. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit einem Geschäftsbesitzer und einem Touristenphotographen zu spielen.Am Abend sah ich den Menschen am Ganges zu, wie sie beteten, sich wuschen und badeten. Gruppen von Hindus ließen Blumen und Schalen mit Feuer in den Ganges, die dann davonflossen. Es war sehr farbenfroh und interessant und ich werde es vermutlich in Varanasi in einer größeren Dimension erleben.

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