Saturday 10 May 2008

Reisen um wieder zurück zu kommen

Nach einer 13 stündigen Fahrt in verschiedenen Bussen bin ich jetzt wieder in Hanoi angekommen und muss mich wieder an eine völlig andere Mentalität gewöhnen. Laos war sehr ruhig, die Menschen gelassener und weniger aggressiv in den "Verhandlungen". Hier in Hanoi muss ich wieder knallhart um jeden Preis fälschen und ich spüre einen permanten Druck in mir aufkommen. So vergaß ich den Preis für mein Mittag im vornherein auszuhandeln und war der Willkür des Verkäufers ausgeliefert, der mir doch glatt das 4fache des normalen Preises abverlangen wollte. Nach zähen Verhandlungen gab ich ihm den halben Preis, den er verlangte, und machte mich auf und davon.
Es fasziniert mich, dass solch starke kulturelle Unterschiede zwischen Laos und Vietnam existieren, obwohl beide Länder flächenmäßig ein Land sein könnten. Laos würde ich mit: "Was du morgen kannst besorgen, dass verschiebe auf übermorgen." zusammenfassen, wohingegen Vietnam in meinen Augen eher mit "Was du heute kannst besorgen, dass erledige sofort." charakterisiert werden könnte.
Es war aber dennoch ein gutes Gefühl wieder nach Hanoi zurückzukehren, weil in diesem scheinbaren Chaos doch alles sein Platz hat und zu funktionieren scheint. So wurde ich einfach mal in einen anderen Bus gesteckt, weil ich der einzige Passagier nach Hanoi war, um Benzin zu sparen. Wäre dies wohl in Deutschland möglich einfach mal den gebuchten Bus nicht fahren zu lassen? Ich reise zur Zeit allein, falle kaum noch auf und bewege mich fast unbemerkt durch die Massen. Ich empfinde es auch als angenehm hierher zurückzukehren, weil ich alles mit Leichtigkeit bewältigen kann, ohne wirklich viel über Orientierung und Preisrelationen nachzudenken.
Ich habe ein seltsames Gefühl, wenn ich mich dabei beobachte, wie ich meinen Lebensstil aus Berlin auf Hanoi projeziere. Ich suche mir ein Café, weil ich dort Internetanschluss habe, trinke vietnamesischen Kaffee und lese englische Bücher. Ok, zwischendurch gehe ich noch zum Yoga, esse mein Mittag, bestehend aus gebratenem Tofu und Reisnudeln, in einer der Straßenküchen und komme Abends zum Essen mit meinen Großeltern zurück, jedoch sind die Parallelen nicht zu übersehen. Was macht das Reisen für mich noch aus? Ich empfinde das Reisen jetzt als mein Leben und kehre stark in meine alten Lebensmuster wieder. Ich bin mir nicht ganz im Klaren, ob ich es wirklich möchte. Ich bin immernoch aufnahmefähig, aber das Fremde des Reisens ist Normalität geworden und löst nicht mehr das Gefühl der Faszination aus. Ich komme langsam zu dem Schluss, dass Städte in sich sehr ähnlich sind und deshalb mich weniger aufrühren. Jede Trekkingtour oder jeder Biketrip durch die Natur und Landschaften erfüllte mich stark mit dem Gefühl der Faszination. Ich beginne gerade meine Art des Reisens wieder neu zu erfinden, um mir wieder mehr Sinn für das Reisen, also mein jetziges Leben zu geben. Mmh, bleibt doch alles gleich, ob ich nun Reise oder an einem Ort lebe, es hängt alles nur von mir und meiner Sicht auf die Dinge ab. Ich reise Tausende von Kilometer, um doch wieder bei mir anzukommen. Ich fühle, dass es der Kernpunkt meines Reisens ist.

2 comments:

Anonymous said...

Tja, und hier wird jetzt mein Abschiedsgruß auf der Karte wichtig, dessen inhalt du damals noch als selbstverständlich erachtet hast. inzwischen wirst du wohl besser verstehen, was ich damit meinte.

und natürlich bist du es, der da reist und du bist es, der über seine reiseerfahrung entscheidet. mann ey, du hattest hier ein sicheres und behütetes leben in europa, glaubst du denn wirklich, dass deine umwelt bestimmt hat wer du bist? ganz automatisch hast du deine umwelt nach dir gewählt und gestaltet, weil das (für mich ja auch) eine vollkommen selbstverständliche freiheit ist. diese ganzen selbsterfahrungsgeschwafelromane gründen sich auf zwänge und unfreiheiten in der lebensgesellschaft, aus der man "ausbricht" und dann endlich so sein kann, wie man selbst sein will. du mein freund, warst schon immer, wie du selbst sein willst und auch die entscheidung zu weltreisen, hatte unmöglich etwas damit zu tun, dich zu finden (ausser vielleicht irgendwelche "heimat-issues"), sondern nur damit dich (wiedermal) zu verwirklichen. vielleicht kommst du jetzt an den punkt, wo du dich nicht ganz so ernst zu nehmen brauchst und stattdessen weiterin meinem rat auf der karte folgen kannst und sonst nichts, einfach nichts.

ich bin übrigens vor einem jahr und einem monat zurückgekommen. d.h. in perth sollte jetzt noch ziemlich gutes wetter sein und die nächsten monate wird es richtung norden optimales wetter (weil winter) sein. d.h. natürlich auch mehr touristen, aber ich weiß nicht, was mehr touristen bedeutet, denn als ich da war, gab es fast gar keine touris (und auch das fast ist beinahe wegzulassen). naja, wenn du tipps für australien brauchts, falls du denn mal deinem arsch ein bisschen großbild-reiseerfahrung gönnen willst, weisst ja, wenn du fragen kannst.

cheers, h.

Anonymous said...

heyyy, endlich ma wieder ein bericht :) wie geht es dir und was ist es für ein gefühl bei einem teil deiner familie zu sein...heimisch?oder doch fremd...wohl beides obwohl 'fremd' für dich mittlerweile nichts neues mehr ist!

aber kien-is doch klar, irgendwann KANN man nicht mehr aufnahmefähig sein. jedenfalls ist das bei mir so. es kommt der punkt, da ist man beinahe übersättigt an neuem. und dadurch zu sich selbst zu finden ist doch ein netter 'nebeneffekt' oder?

°drück° aus dem frühsommerlichen Berlin!

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