Wednesday 9 January 2008

Zugfahren ist Indien

Ich bin gestern Morgen nochmal zum Strand gegangen, um kurz ins Meer zu springen, bevor ich mich auf den Weg nach Mangalore gemacht habe.
Mein Strandgang lässt sich gut als Kameraflug beschreiben und beginnt mit dem Flug durch die Straße, die zum Strand führt , vorbei an zahllosen Geschäften, Internetcafés und Reisebüros, die das Leben des Pauschaltouristen erleichtern. Am Strand angekommen, leuchtet das blaue Meer und der wolkenlose Himmel der Kamera entgegen. Ein Schwenk nach links und nach rechts offenbart grüne, hochragende Palmen hinter der Strandpromenade, die mit Restaurants, Sonnenstühlen, Fischerbooten und Volleyballnetzen gepflastert ist. Durch das Bild der Kamera laufen dünne, dicke, schöne, hässliche, aber allesamt sperrlich bekleidete Menschen, die sich in der Sonne brutzeln lassen. Plötzlich zoomt die Kamera auf eine Frau, die um die 50 ist und deren Oberkörper komplett entblößt, jeder nichts ahnenden Kamera ihren schönheitsoperationsgedrillten Busen aufzwingt. Der Kamera wird es jetzt zuviel und sie schwebt weiter, um den Busen und dessen deutlich sichtbare Operationsnarben zu vergessen.
Nach diesem leichten Strandschockerlebnis bin ich heilfroh in den Zug nach Mangalore gestiegen. Ich hatte fast vergessen wie schön und interessant das Zugfahren in Indien ist. Während der ganzen Fahrt saß ich neben einer brasilianisch-indischen Familie, die in Indien Urlaub macht, um ihre Verwandten zu besuchen. Wir unterhielten uns sehr gut, aber was mir am stärksten in Erinnerung geblieben ist, war eine sehr lustige Handlung des Gatten der Brasilianerin, die einen sichtbaren Bartwuchs (muss wirklich schlimm für sie sein) hatte und sich wahrscheinlich rasieren musste. Der Ehemann näherte sich zärtlich mit seiner Hand dem Gesicht seiner Frau und zupfte vor meinen Augen ein abstehendes Barthaar aus ihrem Gesicht. Zwei Sekunden der Stille und wir alle lachten herzlich auf.
Sehr witzig war auch das permanente Grölen der indischen Jugendlichen, sobald wir mit dem Zug durch einen Tunnel fuhren. Sie hielten diese Prozedur wirklich sechs Stunden lang während der ganzen Zugfahrt durch.
Am späten Abend aß ich Dosai und schaute in die tiefschwarze Nacht, während der Zug durchs Nichts zu schweben schien. Ich hatte das Gefühl völlig losgelöst von der Welt mit dem Zug durch die Unendlichkeit zu fahren. Die Unendlichkeit war doch sehr endlich und ich bin sehr zufrieden in Mangalore angekommen.

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