Wednesday 23 January 2008

Selbstlosigkeit

Mich fasziniert es immer wieder wie gastfreundlich und selbstlos indische Menschen sind. Ich aß mit Rena spät Abends an einer Straßenküche in Kochi, die ein 24 jähriger mit 2 Freunden betrieb. Es kam eine sehr schöne Konversation mit ihm zu stande, obwohl er nur begrenzt Englisch sprach. Sein Vokabular bestand vielleicht aus 40 Wörtern, jedoch war seine Körpersprache ausdrucksstark und vermochte die fehlenden Vokabeln zu ersetzen. Er vermittelte mir wieder eine neue Seite Indiens durch einen kleinen Einblick in sein Leben und seine Welt. Er ist der Besitzer dieser kleinen Straßenküche und fängt Morgens um 7 Uhr an und geht erst 00:30 Nachts nach Hause, um dort für 2 Stunden zu schlafen. Am Tage macht er noch zwischendurch 2 Stunden Pause, aber rackert er sich so 7 Tage die Woche ab. Er ist zum 2. Mal verheiratet und diesmal viel glücklicher, weil er seine erste Frau nicht anziehend fand. Beide Male haben seine Eltern sich auf Suche für ihn begeben und ihn verheiratet. Ich habe versucht herauszufinden, was er in seiner sehr kurzen Freizeit macht, aber anscheinend verbringt er diese nur zu Hause bei seiner Frau, die nicht arbeitet und eigentlich nur mit ihm aus dem Haus geht beziehungsweise raus gehen darf.
Nachdem wir unseren letzten Chai des Tages getrunken hatten, schlug er uns vor am nächsten Morgen uns einen naheliegenden Strand zu zeigen. Wir aßen also unser Mittagessen bei ihm und fuhren mit der Rikscha und dem Bus zum Cheraistrand (hab ich erst im Nachhinein herausgefunden), nördlich von Kochi. Er bestand darauf beide Male zu bezahlen und versuchte uns vor einigen Indern zu warnen, wiederholte hierbei die Warnungen bestimmt 6 Mal, damit wir es auch ja nicht vergessen. Er saß mit uns am Strand, halb mir beim Früchtekauf, weil es für ihn wesentlich billiger war, handelte sich hierbei noch böse Blicke und Kommentare ein, weil er mir half, und das wirklich Unfassbare ist die das absolut selbstlose seines Handelns. Ich versuchte ihm ein bisschen Geld für alle seine Ausgaben und noch ein klein wenig mehr für die Rückfahrt zu geben, aber er lehnte dies strikt ab. Wahrscheinlich empfindet er es sogar als ziemlich unangenehm, dass ich ihm Geld geben wollte.
Es erfüllt mein Herz immer noch mit warmer Freude, wenn ich daran denke, weil er nicht nur finanziell alles getragen hatte, sondern auch seine Zeit, die sehr begrenzt ist, für uns geopfert hatte. Aus seinen zwei Stunden Pause wurden locker vier Stunden mit uns, weil den Tag früher, schon um 5 Uhr, begann, damit er mehr Zeit zur Verfügung hatte.Ich bin überwältigt von dieser Hilfsbereitschaft, weil es in meiner Erfahrungswelt nur sehr wenige solche Momente gab. Aber seit ich in Indien bin, ist es mehr zur Regel geworden. Wann hat irgendeiner von uns schon mal seinen ganzen Tag nach einem wildfremden Menschen ausgerichtet, ohne jegliche Erwartungen (finanziell, beziehungtechnisch, sexuell) zu stellen? Ich bin ihm sehr dankbar und hoffe, dass ich in Zukunft auch so handeln kann wie er. Stellt euch vor wieviel mehr Freude und Liebe in unserer Welt wäre, wenn jeder von uns so handeln würde. Wir müssen nicht mal religiös oder spirituell sein, sondern die Situation nur rational betrachten und mir erscheint es ziemlich logisch so zu handeln.

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