Sunday 14 October 2007

Wer ist wer?

Ich sitze jetzt im Park vom „Viktoria Memorial“ und erhole mich von den Strapazen der Jeep- und Zugfahrt (19h). Die Jeepfahrt war diesmal weniger ermüdend, dafür aber beängstigender, da ich die Auswirkungen des Monsuns direkt sehen konnte. Teilweise fuhren wir über Straßen, die nur noch zur Hälfte existierten, weil der Rest die Klippen runtergestürzt war und ich fragte mich, ob die andere Hälfte nicht auch gleich samt Jeep und Insassen runterstürzen würde. Der Aufprall dürfte aber nicht ganz so schmerzhaft sein, da wir 13 Personen in einem Jeep waren, der normalerweise für 5 Personen ausgelegt ist. Die Jeeps wurden zwar so umgenbaut, dass die Ladefläche als Sitzfläche genutzt werden konnte, jedoch quetschten sich teilweise 5 Menschen auf eine Sitzbank. Meine Bedenken nicht anzukommen wurden noch größer, als ich eine Rettungsaktion eines Busses sah, der halb auf der Straße, halb in den Klippen hing. Wie ihr lesen könnt, sind meine Befürchtungen nicht bestätigt worden, ich sitze jetzt wieder im Flachland und muss mich wieder an das subtropische Klima gewöhnen.
Mir ist erst auf der Runterfahrt aufgefallen, dass ich schon lange keine Kühe mehr gesehen hatte. Dies sprach eindeutig dafür, dass ich den hinduistischen Teil Indiens verlassen hatte. Der Nordosten Indiens ist stark vom tibetischen Buddhismus geprägt und die Rinder müssen hier um ihr Leben fürchten. Jetzt erinnere ich mich auch daran, dass ich wie selbstverständlich eine delikate Thenuk (tibetische Breitbandnudeln) Suppe mit Rindfleisch und Spinat in Gangtok verspeist hatte. Ich glaube, dass ich das Rind durch meinen Gaumen mehr huldige als manch Hindu, der die Kühe verscheucht.
Als ich um 7 Uhr früh in Kolkatta ankam, spürte ich sofort, dass ich wieder in einer Großstadt war, in der Verkäufer, Taxifahrer und RikschaLÄUFER (!!!) mich belagerten. Ich fühle mich schon ein wenig unwohl, wenn ich Fahrradrikschas benutze, aber hier in Kolkatta treiben sie es zu weit. Sie spannen einen Menschen vor den ca 1.50m hohen Karren und lassen ihn barfuß durch die Straßen rennen.
Kolkatta war die Wirkungsstätte von Mutter Theresa und soll sich in Sachen Armut verbessert haben, jedoch kann ich mir nur vorstellen, dass es sich von absolut schlecht zu sehr schlecht entwickelt hat. Die Gegensätze zwischen Menschen in den Slums und Anzugmenschen in den Hochhäusern sind unübersehbar. Auf dem Weg zum „Mutterhaus“ brauchte ich dann auch keine Karte, da mich alle möglichen Menschen, auch ohne das ich sie fragte, mir den Weg zum Haus wiesen. Es war ein einfaches, mehrgeschossiges Haus, in dem ein Gedenkzimmer mit einem Grabstein für Mutter Thersa (ihre Asche wurde in dem unteren Zimmer aufbewahrt) und ein Informationszimmer über ihr Leben und Wirken eingerichtet waren. Die anderen Zimmer und Etagen wurden von den Schwestern des „Wohltätigkeitsordens“ genutzt. Ich verweilte in der friedlichen Atmosphäre einen Augenblick und genoß die Ruhe.
Als ich dann weiter durch die Straßen Kolkattas lief, folgte ich nur meinem Kompass Richtung Westen. Ich ging durch viele kleine Gassen, die Abends bestimmt nicht ungefährlich wären, aber bei Tage wunderbar gesäumt von kleinen Ständen und Straßenküchen waren. Menschen wurden hier direkt auf der Straße rasiert, alte Herren spielten Karten und Kinder spielten den Volkssport Nummer eins in Indien: Cricket.
Irgendwann stieß ich auf den „New Market“ einem Markt, der sich auf ein ganzes Viertel ausdehnte und in dem sich Massen von Menschen drängten. Hier waren so viele Menschen, dass ich kaum treten konnte. Sogar mein Fluchtversuch, wahrscheinlich eine Instinktreaktion ;-), endete in einer kleinen Gasse, die voll von Menschen war. Solche Menschenmassen stellte ich mir eigentlich in allen indischen Großstädten vor.
Nachdem ich mir letztendlich den Weg durch die Massen gebahnt hatte, ging ich zum Hotel zurück, um mich ein wenig frisch zu machen.
Am Abend war ich mit einem Freund von Farheen (aus Mumbai) verabredet, dessen Nummer ich von ihr erhalten hatte. Ich rief ihn an und wir verabredeten uns vor dem Hotel.
Als ich rauskam, kam er sofort auf mich zu, begrüsste mich mit einem komischen Englisch, zerrte mich in eine Rikscha und stieg nach einer kurzen Fahrt plötzlich wieder aus, ohne den Fahrer zu bezahlen. Wir gingen in ein Restaurant etwas essen und als ich versuchte eine Konversation zu starten, antwortete er sehr komisch auf meine Fragen. Ich musste meine Fragen wiederholen, da er mich kaum verstand. Ich fragte ihn woher er Farheen kenne und er antwortete nur, dass er sehr viele Freunde habe. Ich konnte es kaum fassen, dass Farheen solch einen Freund hatte. Er erzählte mir, dass er Englisch und Hindi studiere, aber in einem Reisebüro gleich auf meiner Straße arbeite. Er war der typisch Menschenschlag von Verkäufern, die ich normalerweise auf der Straße ignoriere. Als er mir dann noch mit einem Grinsen anbot ins Bordell zu gehen, fragte ich ihn nochmals ganz präzise nach wer er sei. Es kam heraus, dass er gar nicht Aditya war, sondern Didi sei. Ich überlegte kurz, ließ ihn stehen (ich hatte das ganze Essen schon bezahlt) und rannte zum Hotel zurück. Dort sagte man mir, dass jemand zwei mal angerufen hatte. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich mit irgendjemanden losgegangen bin und zu Abend gegessen habe, zum dem wirklich gar keine Verbindung hatte. Ich rief Aditya erneut an und wir verabredeten uns in einem Cafe. Wir mussten beide herzlich darüber lachen. Ich war in einem positiven Schockzustand und konnte es immernoch nicht fassen, was passiert war. Vor allem aber, dass der falsche Aditya die ganze Zeit mich an der Nase herumgeführt hatte.
Der richtige Aditya war dann auch die Art von Person, die ich erwartet hatte. Er sprach ein sehr gutes Englisch, war gebildet und mir sehr sympathisch. Wir unterhielten uns eine Weile über Indien, Deutschland und Vietnam, er gab mir Tips für meine Weiterreise und wir tauschten unsere Emailaddressen bevor wir uns verabschiedeten.
Vielleicht kaufe ich mir doch ein indisches Handy, weil solche „Blindtreffen“ doch auch mal in die Hose gehen können.

3 comments:

Kevin said...

Uiuiui, aber spannend.

Anonymous said...

wow,ein abenteuer jagt das nächste...pass auf dir jut auf ja?versprochen?

Unknown said...

Man man Kiên, ich finde, der war ganz schön gerissen und so blöd gar nicht :)
Überleg mal, zu was der Mensch fähig ist, wenn er überlebne muss.

spannend, es tut so gut diese geschichten mitzuverfolgen, da gönnt man sich immer mal ein AUS vom Alltag im grauen, sehr grauen Berlin

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