Tuesday 16 October 2007

Die Mammutfahrt

Es sind fast 40 Stunden vergangen, seit ich in Kolkatta in den Zug gestiegen bin. Es ist 5 Uhr morgens und ich warte auf meinen Anschlusszug nach Pondecherry, der einzigen franzoesisch gepraegten Stadt Indiens. Uebrigens habe ich auf der Fahrt den Roman "The Life of Pi" gelesen, der teilweise von Pondecherry handelt, aber an sich eine wunderbare Geschichte ueber das Leben und Ueberleben ist. Kann ich sehr als gute Nacht Geschichte empfehlen. Ist witzig, unterhaltsam und bildend.
Eigentlich hatte ich ein Ticket fuer den Zug um 15:30 Uhr nach Pondecherry gebucht (150Rs), jedoch kam der Zug aus Kolkatta, zu meiner Ueberraschung, 1 1/2 Stunden frueher an als erwartet. Ich lief zum Ticketschalter, der um 4 Uhr Morgens geoeffnet hat, und erstand ein Ticket fuer den Zug um 6:35. Halb aus dem Bett fallend und im Halbschlaf machte ich mich auf dem Weg zur "Chennai Egmore" Station, da alle Zuege Richtung Westen und Sueden von dort abfuhren. Ich musste ein Taxi oder eine Rikscha nehmen und bemerkte, dass sich das Feilschen schon als Automatismus ausgepraegt hatte. Nachdem ich mit 3 Fahrern gefeilscht hatte, ueberzeugte ich den 4. fuer 25Rs mich nach Egmore zu bringen, was ein fairer Preis war.
Ich glaube, dass es sehr witzig waere, wenn ich in Deutschland zu Lidl gehen wuerde und anfange zu feilschen: "Aehmmm, der Broccoli sieht schon ein bisschen gelb aus, ich nehm ihn fuer 50ct, ok?? Nein? 60ct? ... bis sie mich rausschmeissen!"
Die 200km nach Pondecherry stellten sich als ueberaus anstrengend heraus. Ich sass auf Holzbaenken und aenderte meine Sitzposition alle 5min auf der 5stuendigen Fahrt. Auf halber Strecke kaufte ich mir Chapati (Flachbrot) und Dal (Mungobohnensuppe) zum Fruehstueck. Als eine Frau mit zwei Kindern sah, wie ich die Suppe restlos aufsaugte, bot sie mir etwas von ihrem selbstgemachten Chapati an. Es war superkoestlich, viel besser als das gekaufte von den Bahnhofsverkaeufern, da sie noch eine Art Zwiebelknoblauchpaste draufgeschmiert hatte, die einfach goettlich koestlich war. Ich bot ihr spaeter ein paar Suessigkeiten als Dank an, jedoch lehnten sowohl sie, als auch die Kinder ab. Ich habe in dem Zug noch ein sehr schoenes altes Paar photographiert, das sicherlich aus der untersten Kaste stammte. Ich verstaendigten uns mit Haenden und sie suggerierten mir, dass sie gern ein Photo aus meiner Kamera haben wollen. Als ich ihnen verstaendlich gemacht hatte, dass die Bilder in der Kamera sind und ich einen Computer zum Drucken brauchte waren sie ein wenig traurig. Ich wollte ihnen das Bild mit der Post schicken, aber entweder hatten sie kein festes zu Hause oder sie konnten nicht schreiben. Das machte mich wiederrum ein traurig. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich und ich war ganz schoen peinlich beruehrt als die Frau mir einen Handkuss gab.
Auf dem Bahnhof meldete sich gleich eine westlich aussehende Frau und meinte, dass in der Stadt kein Zimmer mehr frei waere, wegen irgendeinem Festival. Ich versuchte mein Glueck und rief eine Rikscha, um mich zur ersten Addresse in meinem Guide fahren zu lassen. Die Frau am Bahnhof hatte leider recht.
Ihr muesst euch meinen Zustand vorstellen. Ich war seit ca. 50 Stunden unterwegs, die Mittagssonne brannte imens, ich stank wie ein Iltis und ich musste zu allem ueberfluss gerade sehr dringend auf Toilette. Nachdem auch das dritte Hotel voll war, erleichterte ich mich in einem Restaurant (auf der Toilette natuerlich ;-) ). Ich fuehlte mich auch gleich verpflichtet dort zu essen und hatte eines meiner teuersten Essen ueberhaupt in Indien. Uebrigens nicht besonders gut, nachdem ich die goettlichen Chapati gegessen hatte.
Gesaettigt, erleichtert und abgekuehlt, entschied ich mich das Auroville (www.auroville.org) anzurufen und direkt dort hinzufahren ohne in Pondecherry zu uebernachten.
Das war eine wirklich exzellente Idee, da die Atmosphaere hier im Auroville totale Entspannung verspricht und ich mich schon jetzt puddelwohl fuehle.
Ich sitze jetzt im Solarcafe und esse sehr gutes und ausgewogenes Essen (natuerlich gibt's hier kein Fleisch, aber das macht gar nichts.) Die ganze Umgebung ist sehr gruen und strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Das ist der erste Ort in Indien, an dem ich fuehle, dass ich hier laenger verweilen koennte. Alle bisherigen Staedte und Orte waren sehr interessant und inspirierend, jedoch fehlte das gewisse Etwas, dass mich zum Bleiben animiert.
Ich habe schon ein paar Teile von Auroville gesehen, aber nicht wirklich betrachtet. Ich werde mehr berichten, sobald ich mehr gesehen und mehr verstanden habe. Bisher ist Auroville eine sehr abstrakte Idee.

1 comments:

Kevin said...

Konkreeet!

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