Wednesday 12 December 2007

Ein Tag in Auroville

Letztes Wochenende war ich auf einer indischen Hochzeit in Chennai, auf die mich Pratap einlud. Es war ein sehr interessantes, tielweise aber langatmiges Erlebnis, das mein Bild von Indien weiter formte. Es waren nur Rena und ich zwischen einer Masse indischer Hochzeitsgäste, die sehr geduldig auf ihren Stühlen die Zeremonien verfolgten und eigentlich nur zu den Mahlzeiten sich zur „Kantine“ bewegten, um dort das Essen hineinzuschaufeln. Auf den langen Bänken waren Bananenblätter als Teller ausgelegt, auf denen die zahlreichen Kellner das Essen aus Eimern vor die Gäste schaufelten. Es war eine große Massenabfertigung der geladenen Gäste, wobei dies aber mit einer sehr großen Aufmerksamkeit geschah. Sobald das Bananenblatt sich dem Ende neigte, wurde sofort aufgefüllt. Es war erstaunlich zu beobachten wie schnell meine Tischnachbarn ihre Bananenblätter leerten und ich konnte verschiedene Handessenstechniken analysisieren. Einige schoben das Essen sehr elegant mit dem Daumen in den Mund, andere wiederrum aßen extrem schnell weil sie die ganze Hand in den Mund schoben. Alles in allem war das Essen geschmacklich sehr gut, aber die Essensatmosphäre ziemlich gestresst.
Die Heirat war zwischen einer Cousine und einem Cousin, was keine Besonderheit im Kreise der Brahmin ist, da diese nur einen Bruchteil der indischen Gesamtbevölkerung stellen. Mir wurde hier noch stärker bewusst, wie stark das Kastensystem noch in Indien präsent ist. Pratap hat mir von ein paar Hochzeiten erzählt, die nicht innerhalb der gleichen Kaste waren und welche Komplikationen dies mit sich bringt. Es ist immernoch inakzeptabel jemanden aus einer anderen Kaste zu heiraten. Der Druck kommt nicht nur aus eigenen Familie, sondern auch sehr stark von den entfernten Verwandten und Nachbarn. Als Folge brechen diese sogar den Kontakt zu Familie ab und erscheinen natürlich auch nicht zur Hochzeit. Fremdkastenhochzeiten sind dementsprechend sehr klein und weniger prunkvoll. Im Kontest der Bedeutung der Famlilie hier in Indien, ist es extrem hart für das Hochzeitspaar ohne den Familienrückhalt zu leben und zu überleben.
Die Hochzeit in Chennai gab mir weider ein bißchen Distanz um über Auroville und mich zu reflektieren. Solange ich in Auroville bin, lebe ich ein sehr schönes „Altagsleben“, das sehr stark im Kontrast zum Reisen und seinen Eindrücken steht. Ihr habt sicherlich schon bemerkt, dass ich hier weniger blogge. Dies liegt vor allem daran, dass es mir schwer fällt Zeit zum Schreiben zu finden, obwohl ich mich stationär an einem Ort befinde. Ich finde es selber setlsam, dass ich mehr Zeit zum Schreiben finde, wenn ich reise, aber nicht, wenn ich einen halbwegs geregelten Tagesablauf habe. Vielleicht schreibe ich euch mal, wie so ein typischer Auroville Tag bei mir aussieht.
Ich gewöhne mich langsam daran früh aufzustehen und morgens um 7 Uhr zum Yoga zu fahren. Nach 1 ½ Stunden Yoga fühle ich mich äußerst entspannt und bin positiv für den Tag gestimmt. Ein ausgedehntes Frühstück, dass dekadenterweise aus Schokoladencroissants und frischer Annanas besteht, versetzt dann auch meinen Gaumen in Freude. Mein „Arbeitstag“ beginnt so gegen 10 Uhr und bestand die letzten Tage aus Mauern, Kabel verlegen und Telefonieren. Ich mache eigentlich alle Arbeiten, die so anfallen und mir möglich sind zu lösen. Das Youth Center war in den letzten Wochen eine Baustelle, da das Haupthaus erneuert werden musste.
Ach ja, das spannendste war eigentlich die Reinigung des Wasserturms, da sich darin eine Rate verirrt hatte und krepiert ist, wei lsie nicht mehr rauskam. Wir kletterten also einen Baum hoch um auf den Wassertank zu kommen. In luftiger Höhe stiegen wir in den abartig stinkenden Tank und reinigten diesen von Innen. Nach dem Reinigen stand ich einer ätzenden Luftwolke, da wir den Tank desinfizieren mussten. Es war eien ausgesprochen befreiendes Gefühl wieder aus dem Tank zu steigen und frische Luft zu atmen.
Gegen 12:30 Uhr gibt es dann Mittag, dass ich meist in der Solarkitchen zu mir nehme. Wieder zurück im Youth Center werkel ich dann noch bis 5 Uhr rum, wobei wir hier mindestens zwei Teepauseneinlegen, um den Chai von der Amma (Haushälternin) genüsslich zu schlürfen.
An zwei Tagen der Woche fahre ich zur Schule um Capoeira zu unterrichten und trainiere am Abend noch in der regulären Klasse, die sehr anspruchsvoll geworden ist, da ein neuer Trainer gekommen ist.
Jeden Dienstag koche ich jetzt vietnamesisch für ca. 20 Personen, was schon eine Herausforderung ist, da es gut schmecken soll und mindestens die Kosten decken muss. Das Essen ist prinzipiell für alle offen und quasi kostenlos, jedoch bitten wir um Spenden, da es sonst nicht möglich ist, es dauerhaft anzubieten.
Bisher war Auroville sehr weitläufig und ruhig, jedoch bemerk ich seit einer Woche, dass der Verkehr zunimmt und wesentlich mehr fremde Gesichter mir begegnen. Die Monsunzeit ist hier fast vorbei und die Touristensaison startet. Dies wird ganz stark sichtbar an den Geschäften, die wie Pilze aus dem Boden sprießen, und der Ansammlung von Rikschafahrern, die nach frischen Touristen lechsen. Ich verstehe sehr gut, warum Aurovillianer sehr reserviert sind, da ich eine gewisse Antipathi gegen das Touristenphänomen entwickle, obwohl ich hier erst 2 Monate bin.
Ist es ein menschlicher Charakterzug, wenn es diesen überhaupt gibt, sich gegen neue Impulse wehren zu wollen, im Streben seine kleine Welt vor Veränderung zu schützen? Für mich ist es ein aktiver Prozess und eine bewusste Entscheidung mich diesen Impulsen zu öffnen und mich wirklich darauf einzulassen.

9 comments:

Anonymous said...

mensch kien, schön wieder von dir zu hören,dachte schon du bist den indischen elefanten durchgebrannt ;)

ich glaube es ist absolut menschlich sich seine kleine welt erhalten zu wollen und manchmal gibts wieder ne phase, wo man ans ausbrechen und verändern denkt.

wann gehts eigentlich für dich weiter?und wohin-vietnam?ein bisschen familie zur weihnachtszeit, die für dich sicher meilenweit entfernt ist-vor allem gedanklich oder?

ich drück dich,
Lena

Anonymous said...

HE kien, hab mal wieder den weg ins internetcafe gefunden und dein blog inspiziert...freu mich dass es dir dort am andern ende der welt gut geht...ich wollte dir auf diesem wege ein schönes weihnachtsfest wünschen und einen guten rutsch ins neue jahr...haste dir schon überlegt wo du feiern wirst?

also bis danni und viele liebe grüße aus dem leider schneelosen berlin, vio

bizillianer said...

danke für die Besorgnis und die Grüße. Es liegt hier och kein Schnee ;-) und mir fehlen die Lichterketten behangenen Häuser Berlins. Es herscht hier eigentlich gar keine Weihnachtsstimmung, aber es ist auch nicht so wild.

Sende trotzdem schöne Weihnachtsgrüße zurück.

Ann* said...

in frankreich ist gerade alles vollbehangen. und nen weihnachtsmarkt gibt es auch, wo man schuck aus afrika, kunst aus brasilien und klamotten aus peru kaufen kann.. hachja weihnachten...

Ann* said...

achja, meine mitbewohnerin, die leider kein deutsch versteht, war auch auf deinem blog und hat die überschrift auroville gelesen. sie will da nächstes jahr auch hin und hat mich gebeten dich zu fragen, ob du mehr dazu schreiben kannst, weil sie schon darauf brennt hinzufahren. hab auch heute mit einer gesprochen, die ne freundin hat, die irgendwo in indien ne schule aufgemacht hat und noch aushilfslehrer auf zeit sucht. wenn du interessiert bist, finde ich da mehr heraus.

ansonsten liebe grüße

anne

bizillianer said...

In Indien werde ich keine Zeit mehr zum Arbeiten haben, aber danke fuer den Vorschlag.
Ich koennte ihr ganz viel Allgemeines ueber Auroville erzaehlen, aber das kann auch auf www.auroville.org nachlesen. Frag sie mal, ob sie spezifische Fragen hat, die ich ihr beantworten kann.

Anonymous said...

Hallo Kien, war mal wieder auf Deiner Seite. Gut, dass es Dich noch gibt.
Es ist erstaunlich wie Du Dich wacker hälst. Bei uns ist alles beim Alten. Der 3.Advent ist vorbei und es geht mit rießen Schritten auf Weihnachten. Ich wünsche Dir Gesundheit, Gesundheit und Gesundheit, danach alles Glück der Welt damit Du Dein Ziel findest.
Liebe Grüße aus Thüringen
Heike und Martin

Ann* said...

hey kien, ich glaube die fragen werden ihr erst direkt vor der abreise kommen, wenn sie das ganze organisatorische klären muss. aber ich frag sie dann einfach nochmal und du wirst das ja bis dahin nicht vergessen haben =)

sei gegrüßt!

Anonymous said...

das hört sich ja alles sehr relaxt an. die abneigung gegen touristen und besonders gegen tourtouristen wird meiner erfahrung nach immer schlimmer, bis man es gar nicht mehr erträgt.

rikschafahrer lech!z!en übrigens nach neuen terroristen (ha! ab jetzt wird dein blog vom bnd überwacht).

ich habe das letzte mal schon gesehen, dass du dich zur farbe gewagt hast. einige sind auch gut geworden, andere überzeugen mich nicht so. ist schon schwieriger, da einen vergleichbaren ausdruck hinzubekommen, 'ne?

frohes fest, vielleicht kann man sich ja mal verabskypen oder so. bis dann. ich.

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